0062 - Wir fanden die geballte Ladung
Hand! Blanke nutzt den Zeitpunkt, da der nächste Posten verschwand, um sich die Pfeife zu holen, und bringt den Posten bei Boot vier um. Er lässt rasch das Boot zu Wasser und geht nach unten, um seinen Seesack zu holen. Inzwischen reißt sich das Boot los und wird abgetrieben. Fertig! Blanke ist der Mörder! Ist doch ganz klar!«
Ich schüttelte den Kopf. »Oh, Phil! Die Seeluft scheint dir aber überhaupt nicht zu bekommen!«
»Wieso?«
»Weil du einen Denkfehler nach dem anderen machst!«
Phil sah mich verdattert an. Aber bevor er etwas erwidern konnte, wurden wir von einer neuen Hiobsbotschaft überrascht.
Einer der Stewards erschien aufgeregt auf dem Deck und lief zum Kapitän. Völlig formlos vor Erregung stammelte er: »Sir, ich sollte doch den Passagieren bekannt geben, dass niemand näher als fünf Schritte an die Boote darf und so weiter. Und wie ich bei den Holsdays klopfe, da antwortet niemand! Ich habe noch ein paar Mal gegen die Tür gehämmert, aber es hat niemand was gesagt. Da habe ich die Tür aufgemacht - und - oh, mein Gott, es ist entsetzlich…«
Er verdrehte die Augen und schluckte krampfhaft.
Wir waren mit ein paar Schritten bei ihm.
»Was ist los?«, fuhr ich ihn an. »Was haben Sie in der Kabine des Ehepaares Holsday gesehen? Mann, so sprechen Sie doch!«
Er riss sich zusammen, obgleich er noch am ganzen Leib zitterte.
»Mister Holsday ist nirgendwo aufzufinden…«
»Und Mrs. Holsday?«
»Liegt auf dem Bett. Sie ist ganz blau im Gesicht. Jemand muss sie erdrosselt haben…!«
Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, da setzten wir uns schon in Bewegung. Wir stürzten förmlich die breite Treppe hinab, die in den schmalen Korridor einmündete, in dem die Passagiere ihre Kabinen hatten.
***
Der Steward hatte die Wahrheit gesagt. In der Kabine der Holsdays brannte die Deckenbeleuchtung, ein paar Kleidungsstücke lagen umher, eine Schranktür stand offen.
Auf dem Bett lag die Frau. Sie trug ein Reisekostüm, das sie während des Abendessens nicht angehabt hatte. Sie musste sich also später noch umgezogen haben.
Conder war blass und lehnte sich gegen die Türfüllung.
»Das ist zu viel«, krächzte er. »Das macht mein Verstand nicht mehr mit!«
Hinter ihm tauchten Ferrerez, der Zweite Offizier, der Doc und der Matrose auf, der dem Kapitän als Ordonnanz diente.
»Kommen Sie rein, Doc!«, rief ich, nachdem wir uns überzeugt hatten, dass er keine Spuren zertrampeln konnte, weil nämlich keine Spuren vorhanden waren.
Auf dem Boden der Kabine lag ein dicker Teppich, der zwar schon etwas abgetreten war, der aber auch so sauber war, wie man sich einen Teppich nur wünschen kann.
Da wir uns auf einem Schiff befanden, war es sinnlos, etwas auf dem Teppich nach Resten von Straßenschmutz oder Gartenerde zu suchen, aus denen man gewisse Rückschlüsse über den Weg des Mörders hätte ziehen können.
»Lassen Sie zunächst einmal in allen Räumen des Schiffes nach Mister Holsd'ay suchen«, raunte ich dem Kapitän zu.
Conder nickte ergeben und wandte sich an seine beiden Offiziere, um entsprechende Anweisungen zu geben.
Unterdessen waren wir mit dem Arzt zusammen an das Bett herangetreten, das etwa in der Mitte der Kabine stand und mit dem Kopfende an die Bordwand rührte.
»Wie lange kann die Frau schon tot sein?«, fragte ich den Doc.
Der beugte sich über die Frau und untersuchte sie flüchtig.
»Ungefähr eine Stunde.«
»Todesursache?«, fragte ich.
Der Doc sah mich eigenartig an. Offenbar hatte er das leere Glas auf dem Nachttisch noch nicht gemerkt. Und dass es Gifte gibt, die Erstickungsanfälle heraufbeschwören, weil sie das Atemzentrum lähmen, schien ihm im Augenblick auch nicht im Gedächtnis zu sein.
»Was soll schon die Todesursache sein?«, brummte er. »Natürlich eine Erdrosselung! Das sieht man doch!«
Ich beugte mich vor, obgleich mir der Anblick zuwider war. Aber der Doc hatte recht: Man konnte die Würgemale am Hals sehen.
»Okay, vielen Dank Doc«, sagte ich, und der stämmige Mann verdrückte sich murrend.
Wir durchsuchten die Kabine. Phil nahm die linke Seite, ich die rechte. Conder sah uns hilflos zu. Ihm ging die ganze Sache so zu Herzen, dass er völlig ratlos war.
Nach ungefähr zwanzig Minuten hatten wir unsere Durchsuchung beendet.
»Bargeld?«, fragte ich.
Phil schüttelte den Kopf.
»Bei mir nicht. Nicht einen Cent habe ich gefunden.«
»Ich auch nicht«, murmelte ich. »Obgleich ich das Handtäschchen der Frau in der Hand hatte und
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