0062 - Wir fanden die geballte Ladung
»Sie waren vor einer halben Stunde ungefähr an Deck?«
Blanke runzelte die Stirn.
»Ja, aber warum interessiert es Sie?«
Ich machte eine Handbewegung, die alles und nichts ausdrückte.
»Nur so. Fiel Ihnen irgendetwas auf?«
»Nein. Was hätte mir denn auffallen sollen?«
Ich beugte mich vor.
»Mister Blanke, würden Sie das Fragen bitte mir überlassen?«
Er zuckte die Achseln. »Da man annehmen darf, dass Sie einen Grund dazu haben: bitte!«
»Auf welchem Deck waren Sie?«
»Ich ging über sämtliche Decks. Ich wollte, lachen Sie mich nicht aus, ich wollte mir das Schiff noch einmal ansehen. Es kann ja sein, dass es tatsächlich in die Luft fliegt, nicht wahr? Und ich bin immerhin eine Zeit lang auf der Santa Cruz gefahren, da wird einem das Schiff gewissermaßen zu einer zweiten Heimat.«
»So, so«, murmelte ich. »Unter anderem haben Sie bei Ihrem Rundgang auch die Wachen an den Rettungsbooten gesehen, nicht wahr?«
»Ja, sicher.«
»Haben Sie mit ihnen gesprochen?«
»Nein.«
Ich stand auf. »Besitzen Sie ein Messer mit einer fest stehenden Klinge, mit braunem Horngriff und einem Messingheft?«
»Ja. Aber ich habe es verloren.«
Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht, als er es sagte.
»Wann haben Sie es verloren?«, fragte ich.
»Gestern Morgen. Auf dem A-Deck. Ich habe einige kleine Reparaturen auf dem Deck ausgeführt und muss es bei der Gelegenheit verloren haben. Ich hatte leider noch keine Zeit, mich bei den Passagieren und den Deckhands zu erkundigen, ob jemand das Messer gefunden hat. Haben Sie es vielleicht gefunden?«
Er sah mich so naiv an wie ein neugeborenes Baby. Entweder wusste er tatsächlich von nichts oder er war der aalglatteste Bursche, den ich je gesehen hatte. Wenn wir Rußpulver und Folien an Bord gehabt hätten, wäre es nicht allzu schwer gewesen, die Fingerabdrücke an der Mordwaffe zu sichern. Aber so etwas befand sich leider nicht in unserem Gepäck.
»No«, sagte ich abschließend. »Ich habe das Messer nicht gefunden. Wenigstens nicht auf dem A-Deck. Ich sah das Messer in der Nähe des vierten Rettungsbootes. Allerdings steckte es bis zum Heft in der Brust des Matrosen, der das Boot bewachen sollte…«
Blanke runzelte die Stirn. Seine Stimme klang ein wenig heiser, als er fragte: »Soll das heißen, dass der Mann ermordet wurde?«
Ich stand auf.
»Genau«, sagte ich. »Genau das soll es heißen.«
»Aber das ist ja entsetzlich!«
»So kann man es nennen. Und das Pech für Sie ist, dass es anscheinend mit Ihrem Messer geschah. Kommen Sie mit hinauf und sehen Sie sich das Messer an.«
»Jawohl, selbstverständlich.«
Seine breite Gestalt straffte sich. Er ging kerzengerade zwischen uns mit hinauf zum Tatort.
Dort hatte der Arzt inzwischen eine oberflächliche Untersuchung vorgenommen.
»Vor ungefähr einer halben Stunde«, sagte er, während er sich mit einem Taschentuch das Blut von den Fingern wischte. »Genauer kann ich es nicht angeben.«
, Er hielt das Messer hoch.
»Damit war es nicht allzu schwierig. Die leicht gekrümmte Form der Klinge, die lang auslaufende Spitze - so etwas rutscht fast von allein ins Fleisch, ohne dass man viel Gewalt dazu braucht.«
»Ist das Ihr Messer, Mister Blanke?«, fragte ich.
Der Ingenieur trat heran. Conder leuchtete die Mordwaffe mit einem Stabscheinwerfer an. Blankes Gesicht war blass. Er starrte auf das blutbeschmierte Messer und nickte mechanisch.
»Ja«, sagte er rau. »Ja. Das ist mein Messer.«
Phil zog mich ein paar Schritte auf die Seite, während Conder aufgeregt auf seinen Ersten Ingenieur einsprach. Noch bevor ich Phil etwas erwidern konnte, kam Ferrerez zurück.
»Wenn tatsächlich jemand mit dem fehlenden Boot weg ist, Sir«, meldete er, »dann müssten wir dem Burschen in ungefähr zwei Stunden wieder begegnen. Wir haben hier eine Kreiselströmung, die ziemlich stark ist. Wegen der Untiefen fahren wir eine nach Westen gerichtete, halbkreisförmige Kurve. Das Boot dagegen wird halbkreisförmig nach Osten getrieben. Wenn alles günstig zusammenkommt, müssten wir in ungefähr zwei Stunden wieder auf das Boot stoßen.«
Conder rieb sich die Hände.
»Wunderbar«, brummte er. »Dann kriegen wir ja vielleicht den Halunken in die Finger, der diesen Mann ermordet hat. Er soll sich freuen…«
Phil zog mich noch ein paar Schritte weiter zur Seite. Leise sprach er auf mich ein: »Ich verstehe nicht, warum du nichts gegen Blanke unternehmen willst, Jerry! Die ganze Sache liegt doch sonnenklar auf der
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