0062 - Wir fanden die geballte Ladung
hatte.
»Aber wie sollte denn der Koch plötzlich verschwinden können? Er kann doch nicht ein paar Hundert Meilen bis zur Küste schwimmend zurücklegen. Schon wegen der Haie nicht. Und ein anderes Boot fehlt doch nicht außer dem, das Diegos benutzte!«
»Richtig!«, nickte Verez. »Das ist der schwache Punkt meiner Überlegungen. Ich verstehe ja auch nicht, wie der Koch einfach verschwinden kann.«
Ich räusperte mich.
»Vielleicht darf ich Ihnen darüber Aufklärung geben«, sagte ich und zog ein Päckchen unter meinem Jackett hervor. Ich schnitt es mit dem Taschenmesser auf und zog die Umhüllungen auseinander. Mitten in einem Päckchen hauchfeiner Damenwäsche lagen einige Schmuckstücke.
»Dieses Päckchen versteckte gestern der Erste Offizier dieses Schiffes in einem Luftschacht…«, sagte ich ruhig.
»Ferrerez?«, murmelte Holsday tonlos.
»Der gestohlene Schmuck der Lady!«, sagte Verez so laut, dass es alle hören konnten.
»Woher wissen Sie das?«, fragte ich schnell.
»Was für ein Schmuck sollte es denn sonst sein?«, fragte er naiv zurück.
Ich raunte dem Steward, der neben der Tür stand, etwas ins Ohr. Er nickte. Nach vier Minuten kam er mit dem Koch zurück. Es war ein kleiner, dicker Kerl mit einer unförmigen röten Knollennase, dicken, buschigen Augenbrauen und einer weichen Kinderhaut.
»Der Koch!«, brummte Holsday verdattert. »Aber ich denke, er ist verschwunden?«
Ich lächelte.
»Wir wollen ihn jetzt hier verschwinden lassen. Gewissermaßen vor aller Öffentlichkeit«, sagte ich. Behutsam zog ich die Augenbrauen ab. »Künstliche Augenbrauen wie sie Schauspieler auf der Bühne verwenden. Eine Knollennase aus Nasenkitt, ein bisschen Puder, den man leicht mit einem Tuch abwischen kann. Unter der schönen weißen Jacke ein wahrer Berg von Sofakissen, mühsam mit Stricken festgebunden, die wir lösen wollen… So… Die unförmige Hose verbirgt ein Paar schlanke Beine, wie Sie sehen, und wenn wir jetzt noch die Mütze absetzen, kommt eine Flut von langem pechschwarzem Haar heraus. Eine Frau, wie Sie sehen. Der blinde Passagier.«
Die Männer blickten auf die schöne Frau wie auf ein Weltwunder. Ich führte die Frau zu einem Stuhl und erklärte dabei: »Señor Ferrerez hat in Caracas , geheiratet. Zwei Tage später sollte die Santa Cruz wieder in See stechen. Da erreichte ihn ein Telegramm seines Kapitäns, ob er nicht einen Koch besorgen könne, da der bisherige krank an Land Zurückbleiben müsse. Seine charmante Frau brachte ihn auf den Gedanken, sie als Koch an Bord zu schmuggeln. Schließlich sind jungverheiratete Leute ungern drei Tage nach der Trauung schon wieder für Wochen getrennt. Ferrerez ging darauf ein. Seine Frau kam als Koch an Bord. In seiner Kajüte verwahrte er ihre Sachen. Als er hörte, dass man der Lady Schmuck gestohlen hatte und alle Kabinen wegen der Bombe durchsuchen wollte, war er in Nöten. Man hätte doch bei ihm den Schmuck seiner Frau gefunden, und sicher hätte der Kapitän eine Erklärung dafür verlangt. So machte er kurzerhand ein Päckchen und versteckte es. Der Schmuck gehört natürlich seiner Frau.«
»Das kann ich bestätigen«, nickte Odrive. »Jedenfalls die Tatsache, dass dieser Schmuck der Lady nicht gehört.«
»Woher wollen denn ausgerechnet Sie das wissen?«, schaltete sich Verez ein.
Odrive kicherte.
»Weil ich immerhin vierundzwanzig Jahre lang mit der Lesfor verheiratet war, junger Mann.«
Verez zog beschämt den Kopf ein. Ich sah auf die Uhr. Es war fast halb vier geworden. In einer halben Stunde würden die Leute in die Boote zu gehen haben.
***
»Kommen wir langsam zur Sache«, sagte ich. »Drei Dinge sind inzwischen geklärt: das angebliche Verschwinden des Kochs, die Ermordung des Matrosen Verstan als Werk Diegos und das eigenartige Päckchen des Ersten Offiziers. Was noch übrig bleibt, sind wiederum drei Dinge: die angekündigte Explosion des Schiffes, der Diebstahl des Schmuckes der Lady und die Ermordung der beiden Frauen. Zunächst steht eines fest: Der Mörder und der Dieb sind eine Person. Das ergibt sich klar aus der Art, wie wir die Frauen auffanden. Eine zweite Sache ist ebenso sicher: dass es keiner von der Mannschaft gewesen sein kann. Abgesehen davon, dass kein Mann der Besatzung im Flur zu den Passagierkabinen etwas zu suchen hat und sofort auffallen würde, wenn er dort auftauchte, kann auch kein Matrose unbemerkt von seinen Kameraden den Schmuck verstecken. Dann wäre er bei den Durchsuchungen des
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