0062 - Wir fanden die geballte Ladung
Scheinwerfer!«, sagte er nur.
Ein Offizier nickte, schlug sich den Kragen seines wetterfesten Umhangs hoch und verließ die Brücke. Wenige Sekunden später flammten drei, vier Scheinwerfer auf und tasteten sich geisternd durch die Schwärze der Nacht.
»Maschine halbe Fahrt!«, rief Conder.
»Halbe Fahrt!«, wiederholte der Mann am Maschinentelegrafen und riss den Hebel in die befohlene Stellung. Die Kontt'ollklingel schlug an. Aus dem Sprachrohr kam die Bestätigung vom Maschinenraum. Ich hörte unverkennbar Blankes Stimme: »Halbe Fahrt!«
Inzwischen hatten die Scheinwerfer den dunklen Fleck erfasst, der langsam näher auf unseren Kurs herantrieb. Ich sah, wie Conder hinter seinem schweren Glas stutzte. Er beugte sich etwas weiter nach vorn, dann setzte er das Glas ab und rief in das Sprachrohr: »Rettungsmannschaft eins an Deck!«
Gleich darauf hallte irgendwo im Schiff eine schrille Klingel.
»Ruder acht Strich Steuerbord!«
Conder reichte mir das Glas, während er zu dem von draußen zurückkehrenden Offizier sagte: »Sie befehligen die Rettungsmannschaft!«
»Okay, Sir!«
»Ruder noch zwei Strich Steuerbord! Maschine langsame Fahrt!«
»Zwei Strich Steuerbord, langsame Fahrt«, kam die monotone Bestätigung des Rudergastes und aus dem Maschinenraum.
»Sehen Sie mal durch«, sagte Conder zu mir. »Wir kommen bereits zu spät… Das Meer selbst hat unseren ermordeten Kameraden gerächt…«
Ich hob das Glas an die Augen und starrte hindurch. Ich fühlte, wie mir etwas im Magen wühlte. Das Boot war gekentert und trieb kieloben auf dem Wasser. Man konnte noch Diegos Kopf, seine Schultern und seine ausgestreckten Arme sehen, die sich in die Seitenleinen des Bootes verkrallt hatten…
Ich schluckte. Conder murmelte leise: »Es waren die Haie. In dieser Gegend wimmelt es von diesen gefräßigen Bestien. Mich wundert, dass sie ihn nicht ganz abreißen konnten…«
***
Vor dem Speisesaal stieß ich auf den Steward. Er sah mich erstaunt an. Ich glaube, ich war grün und gelb im Gesicht.
»Holen Sie mir schnell einen doppelten Whisky«, würgte ich hervor.
Er verschwand und kam gleich darauf mit dem scharfen Getränk zurück. Ich stürzte es in einem Zug hinunter und fühlte, wie sich mein Magen etwas beruhigte. Ein paar Herzschläge lang blieb ich noch vor der Tür des Speisesaales stehen, dann holte ich tief Luft und stieß die Tür auf.
Es war Punkt drei Uhr, als ich den Speisesaal betrat. Noch zwei Stunden bis zu der angekündigten Explosion, eine Stunde bis zum Einschiffen der Leute…
Phil hatte inzwischen für die Anwesenheit aller Passagiere gesorgt. Rings um die große Tafel, an der wir die Hauptmahlzeiten gemeinsam eingenommen hatten, saßen jetzt noch Luck Marvy, der angebliche Journalist, Mister Holsday, der nicht auf der Sitzbank hatte bleiben wollen, Mac Odrive, das zerbrechliche alte Männchen und Juan Verez, der ausnahmsweise einmal keine Witze erzählte.
Im Hintergrund lehnte Phil an der Wand, als ob ihm das Ganze überhaupt nichts anginge. Aber er beobachtete die Anwesenden genau.
»Es dauert aber verdammt lange, bis Sie erscheinen!«, rief mir Luck Marvy entgegen. »Wenn Sie uns schon rufen lassen, dann seien Sie wenigstens pünktlicher!«
»Sehr richtig!«, gackerte Mac Odrive und nickte mit seinem Greisenschädel, dass man unwillkürlich Angst bekam, er werde ihm abfallen.
»Entschuldigen Sie, Gentlemen«, sagte ich und stellte mich an das Kopfende der Tafel. »Ich wurde von einer Kleinigkeit aufgehalten…«
Ich erzählte ihnen vom Auffinden des gestohlenen Rettungsbootes. Dass ich auf dem Weg von der Brücke zum Speisesaal noch rasch in einige der Kabinen geblickt und mir dort bestimmte Dinge angesehen hatte, davon erwähnte ich zunächst nichts.
Ein betretenes Schweigen legte sich über die anwesenden Männer, als ich von dem Zustand berichtet hatte, in dem Diegos gefunden worden war.
»Was bezweckte er eigentlich mit dieser verrückten Flucht?«, fragte Verez. »Ist er etwa der Mörder beider Frauen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»No. Er ist nicht der Mörder der beiden Frauen. Er ist auch nicht der Bombenattentäter, wie einige Offiziere wegen der überstürzten Flucht glaubten. Er hat nichts mit dem Schmuckdiebstahl zu tun. Er war im Grund überhaupt kein Verbrecher. Er war nur ein skrupelloser Geschäftsmann, der sich immer über alles hinweggesetzt hatte, was seinen Geschäften im Wege stand. Und hier ging es um das wichtigste Geschäft seines Lebens: nämlich um
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