0064 - Die Mühle der Toten
Herz hämmerte mit raschen, harten Schlägen. Schweiß brach ihm aus. Trotzdem stieg Professor Zamorra aus dem Wagen, nachdem er die Taschenlampe an sich genommen hatte, die bei ihm zur Ausrüstung des Autos gehörte. Gebeugt ging er durch den strömenden Regen, zur Geistermühle.
Der Regen rauschte auf Bäume und Büsche nieder, und der Wind pfiff kalt. Die Mühlenflügel standen in dieser Nacht nicht in Flammen. Auch sonst hatte der Professor nichts von einem Spuk bemerkt.
Er erreichte die Mühle, leuchtete kurz und betrat sie durch den Haupteingang. Im Dunkeln blieb er stehen. Zamorra wartete eine Weile.
Er lauschte in die Dunkelheit. Er hörte nur den Regen, den Wind und das Knacken des alten Gemäuers und seines Gebälks. Ein verwitterter Fensterladen oder eine Tür pochten im Wind dumpf gegen die Mauer.
Auch Zamorra mußte an den Toten denken, der draußen in der Nässe und Kälte hing, am Mühlenflügel. Dies war ein verfluchter Ort. Zamorra spürte es deutlich, auch ohne sein Amulett, das ihm Eindrücke übermittelte oder diese verstärkte.
Als Zamorra leuchtete, sah er, daß die Wendeltreppe wieder in Trümmern lag. Ihn erstaunte das keineswegs, denn er war zwischendurch nicht mehr in der Mühle gewesen und wußte nicht, daß die Treppe für kurze Zeit wieder heil gewesen war.
Er rechnete also gar nicht damit, daß Morgand irgendwie ins Obergeschoß hätte gelangen können. Raoul Morgands Wagen hatte Zamorra vor der Mühle stehen sehen.
Morgand hätte hier sein müssen. Aber warum war es so still? Zamorra öffnete die erste Tür links und stand in einem der beiden großen, hohen Räume, in denen in früheren Zeiten das Getreide gemahlen worden war.
Er roch den grauenerregenden Gestank, der schon abgestanden war und sich etwas verflüchtigt hatte. Der Dämon war in diesem Raum gewesen. Zamorra holte tief Luft. Er rechnete damit, daß Beau Gunod ihn bereits voll grausamer Freude belauerte, daß er jeden Moment über ihn herfallen konnte.
Entschlossen schaltete Zamorra die Taschenlampe ein. Er sah in ihrem Licht sofort, daß sich hier in dem alten Mühlenraum etwas Grauenvolles abgespielt hatte.
Er sah den magischen Kreis, Blutspuren auf dem Boden. Von Raoul Morgand und dem Dämon selbst war nichts zu erblicken.
Aber in der Ecke blitzte und blinkte etwas. Zamorras Herz machte einen Sprung. Er eilte hinzu.
Einen Augenblick konnte er es kaum fassen. Er glaubte, daß der Dämon ihn grausam narren wollte. Daß er eine Imitation oder Vision erblickte.
Dann hob er den silbernen Talisman auf, und er spürte an der Ausstrahlung, daß es sich um das echte Amulett handelte. Sein Amulett! Als hätte es ihm Kraft gegeben und seine Schmerzen gelindert, fühlte Zamorra sich gleich viel besser.
Wenn der Dämon jetzt kam, standen seine Chancen besser. Das wiedergefundene Amulett in der Hand, machte Zamorra sich daran, den Mühlenraum genauer zu durchsuchen. Jetzt sah er, daß einer der Mühlsteine in der Ecke mit Blut beschmiert war.
Mehr noch, auf dem Boden darunter stand eine Blutlache, die schon zu gerinnen begann. Zamorra begriff, und sogar ihn schauderte, als er die dämonische Grausamkeit voll und ganz erfaßte. Er rekonstruierte, daß Raoul Morgand mit dem Amulett in die Mühle gekommen war.
Was hier vorgefallen war, wußte Zamorra natürlich nicht. Auf jeden Fall hatte Beau Gunod Morgand das magische Amulett abgenommen und ihn überwältigt. Zamorra konnte nur ahnen, wie der Dämon Morgand gequält hatte.
Aber wie Morgand zum Schluß umgebracht worden war, das sah Zamorra deutlich. Der Dämon hatte mit seinen übernatürlichen Kräften den einige Zentner schweren Mühlstein über ihn gerollt und ihn so zu Tode gerädert.
Zamorra beschloß, sein Glück in dieser Nacht nicht weiter zu strapazieren. Er wollte nach Bresteville zurück. Von Grauen erfüllt, verließ er diese Stätte des Schreckens.
***
In dieser Nacht brannte die Mühle lichterloh im magischen Feuer. Es heulte und schrie, und unsichtbare Fingernägel kratzten in Bresteville an den Fensterscheiben. Beau Gunod, der Dämon, hatte bei seiner Rückkehr in die Geistermühle bemerkt, daß das magische Amulett verschwunden war.
Es rüttelte an den Fensterläden und Türen. Hunde verkrochen sich winselnd, und Vieh stellte sich in den Ställen an wie toll. In der Pappelallee, die am Friedhof vorbeiführte, wurden zwei Bäume wie Streichhölzer geknickt.
Menschen kamen nicht zu Schaden, nachdem die Nacht schon zwei Opfer gefordert hatte. Aber in
Weitere Kostenlose Bücher