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0064 - Im Zeit-Gefängnis

Titel: 0064 - Im Zeit-Gefängnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Kristall, der nichts anderes ist als ein unendlich langsam fallender Regentropfen. Bedenken Sie, er fällt zweiundsiebzigtausendmal langsamer als auf der Erde, falls diese Welt die gleiche Gravitation besitzt. Das scheint übrigens der Fall zu sein. Was bedeutet das? Der Regentropfen fällt etwa zehn Zentimeter in der Stunde, wenn wir seine auf Terra übliche Fallgeschwindigkeit zugrunde legen."
    Sie starrten auf das schier unbegreifliche Wunder des schwebenden Kristalls. Steiner war anscheinend nicht so recht überzeugt. Mit der Hand griff er nach dem Regentropfen und versuchte, ihn aufzufangen. Aber es gelang ihm nicht. Wie festgenagelt stand der Kristall in der Luft und ließ sich um keinen Millimeter bewegen. Die Trägheit seiner Masse war parallel zur Zeitverschiebung gewachsen. Man mußte zweiundsiebzigtausendmal mehr Energie anwenden, als man auf der Erde benötigte, einen Regentropfen aufzufangen. Soviel Kraft aber besaß auch Steiner nicht.
    „Unfaßbar!" stellte er fest und gab es auf. „Wenigstens werden wir hier nicht naß."
    Rous wandte sich um. Seine Augen suchten den Leuchtring. Er atmete auf, als er ihn erblickte.
    „Ich denke, wir unternehmen einen Spaziergang bis zur schwarzen Mauer. Vielleicht gelingt es uns doch festzustellen, was dahinter ist. Vorsicht. Ragow, stolpern Sie nicht über unseren Polizeioffizier."
    Der Russe blieb stehen und betrachtete mit undefinierbarer Miene den Arkoniden, der unbeweglich und scheinbar leblos vor ihnen stand. Die Augen waren halb geöffnet, und man wußte nicht, ob die Lider nach oben oder nach unten strebten. Jedenfalls konnte es noch acht bis zehn Stunden dauern, ehe er die Bewegung ausgeführt hatte. Eine Sekunde waren zwanzig Stunden - umgerechnet.
    Ragow tippte dem Arkoniden mit der Spitze seines Zeigefingers gegen die Backe. Bis die Körperwärme des lebendigen Körpers gegen die Gefühlsnerven Ragows stieß, würde eine halbe Stunde vergehen. Die starre Maske zeigte weder Furcht noch Schmerz, dazu war noch keine Zeit gewesen. Vielleicht in fünfzig Stunden, dachte Rous voller Grauen, würde der Arkonide bemerken, was mit ihm geschehen war. Im Augenblick jedoch stand er da, herausgerissen aus seiner gewohnten Sphäre und eine Tausendstelsekunde verkörpernd.
    „Er kann uns nicht sehen!" sagte Rous und nickte Ragow zu. „Wir sind zu schnell für ihn. Wollte er uns sichtbar für seine neue Welt machen, müßte er uns mit einer Kamera filmen, die mehr als eine Million Bilder in der Sekunde belichtet. Wir sind für ihn wesentlich schneller, als für uns das rasanteste Geschoß."
    Steiner deutete auf den halb geöffneten Mund des Offiziers.
    „Gilt das auch für den akustischen Effekt?"
    „Selbstverständlich!" Rous begriff sofort, worauf der Physiker hinaus wollte. „Die Schallwellen werden für unsere Begriffe auch verlangsamt. Wenn wir gleiche Naturgesetze wie bei uns voraussetzen, müßte sich also hier der Schall mit einer Stundengeschwindigkeit von knapp siebzehn Metern voranbewegen. Nicht die Schallwellen, die von uns erzeugt werden, die sind anderen Gesetzen unterworfen. Die Schallgeschwindigkeit beträgt also in dieser Dimension für uns fünf Millimeter pro Sekunde. Vielleicht begreifen Sie jetzt, wie schnell wir uns bewegen."
    „Durchbrechen wir die Schallmauer", sagte Harras, der praktische Typ, und setzte sich zögernd in Bewegung. Sein Gesicht verzog sich zu einer fragenden Grimasse, als er den zähen, gleitenden Widerstand der Luft spürte, die nur widerwillig beiseite zu weichen schien.
    Sie näherten sich allmählich der schwarzen Wand. Genau im Zentrum des so abgesperrten Gebietes schimmerte fahl und doch deutlich sichtbar das Lichtfenster, durch das die sechs Männer in das unwirkliche Reich der anderen Zeitdimension eingedrungen waren. Der Durchmesser des Kreises mochte zweieinhalb Kilometer betragen.
    Rous fand Zeit, zum Himmel emporzuschauen. Die Wolkenformation hatte keinerlei Veränderung erfahren, und es würde noch Tage dauern, ehe die bereits fallenden Regentropfen die Oberfläche des unheimlichen Planeten erreichten. Erdentage natürlich. Wie lange hier in dieser Zeitlosigkeit ein Tag dauern würde, war nicht abzuschätzen. Drehte sich diese Welt in vierundzwanzig Terra-Stunden einmal um ihre eigene Achse, würde die Sonne etwa einhundert Jahre am Himmel stehen. Hundert Jahre würde es dauern, ehe sie nach ihrem Aufgang im Osten bis zum westlichen Horizont gewandert und versunken war. Der Tag würde zweihundert Jahre

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