0064 - Im Zeit-Gefängnis
wollte.
Ragow aber begriff noch schneller. Mit einem Satz schnellte er sich vor, schrie von Schmerzen gepeinigt auf, während sein verlorener Arm wieder sichtbar wurde, und sprang dann mitten hinein in das Fenster des leuchtenden Ringes. Gleichzeitig verschwand er endgültig.
Rous fühlte sich gepackt und ebenfalls durch den Feuerring geschoben. Noch während sein Kopf die Grenze zur anderen Dimension durchstieß, sahen seine Augen die Veränderung. Nicht, daß es heller oder dunkler wurde, nein, an der Beleuchtung änderte sich nichts. Wohl aber veränderte sich die Landschaft. Es war, als sei mit dem Durchgang durch das Lichtfenster zugleich ein Teleportersprung auf eine andere, fremde Welt erfolgt .Oder war dies Tats-Tor, in einer anderen Zeit?
Er sah Ragow, der die zwei oder drei Meter bis zum Boden gestürzt und nicht auf den Beinen gelandet war. Der Russe stand gerade wieder auf und sah sich mit erstaunten Augen um, ohne den Vorgang so recht zu begreifen. Aber - was hatten sie denn eigentlich erwartet?
Aus dem Nichts erhielt Rous plötzlich einen Stoß und verlor den Halt. Glücklicherweise landete er auf den Füßen und fiel nicht hin. Er drehte sich um und sah Harras, der in drei Meter Höhe schwebte, von einem matt leuchtenden Ring umgeben.
„Springen Sie!" forderte er ihn auf. Harras sprang und landete neben Rous. „Lieber Himmel - was ist das?" Rous wartete, bis sie alle versammelt waren und nur noch der matt schimmernde Leuchtring den Weg in die eigene Zeitebene verriet. Wenn man ihn aus den Augen verlor, gab es keine Rückkehr mehr.
„Das ist die Welt der Unsichtbaren, Harras. Außer uns bewegt sich hier nichts, nicht einmal der Wind, denn alles existiert zweiundsiebzigtausendmal langsamer als wir. Für einen Bewohner dieser fremden Zeitebene sind wir unsichtbar, weil wir uns zu schnell bewegen."
„Wo sind die Bewohner?" fragte Josua ängstlich und hielt sich dicht neben Steiner.
„Wir werden sie finden", versprach Rous vage und deutete in Richtung eines nahen Gebirges. „Sehen Sie dort die arkonidische Polizeitruppe, Noir? Sie haben ihre Eigenzeit verloren und existieren bereits in einer fremden. Sehen die Männer nicht aus wie Steinbrocken?"
Sie sahen sich um und schwiegen, obwohl sie noch viele Fragen auf dem Herzen hatten. Irgendwie nahmen sie an, Rous würde sie bald alle beantworten, weil er ja schon einmal in der anderen Zeitebene geweilt hatte.
Der Horizont wurde durch eine dunkel schimmernde Mauer begrenzt, die hoch in den Himmel reichte. Sie stellte das Ende des Wirkungsbereiches des LGF dar. Weiter als bis zu der schwarzen Mauer würden sie nicht vordringen können, und was dahinter lag, würde auch weiterhin ein Geheimnis bleiben.
Sie standen in einer fruchtbaren Ebene, die von Tälern und Höhenzügen unterbrochen wurde. In den Tälern wanden sich Ströme und Bäche einem unbekannten Ziel entgegen, das hinter der schwarzen Mauer liegen mochte. Unbeweglich und starr standen die Bäume vor ihnen, von keinem Lufthauch bewegt. Es war verhältnismäßig warm und schwül. Einige Wolken am Himmel verrieten, daß der Regen nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.
Ein merkwürdiges Flimmern der Luft veranlaßte Harras zu der Frage: „So warm ist es doch nun auch wieder nicht, daß die erhitzte Luft nach oben steigen würde. Außerdem - wenn Ihre Theorie stimmt, bester Rous - muß diese Luftbewegung so langsam vor sich gehen, daß wir sie nicht bemerken. Haben Sie eine Erklärung?"
Rous starrte gegen den Horizont und bemerkte nun auch das Flimmern. Er kniff die Augen zusammen, nickte langsam und antwortete: „Ja, ich habe eine Erklärung. Sie werden auch für alle auftretenden Phänomene eine Erklärung finden, wenn Sie nie vergessen, daß alles hier langsamer lebt und ist. So auch die Gasmoleküle der Luft. Was Sie flimmern sehen, Harras, sind die Moleküle der Luft, die das Licht brechen."
Steiner stöhnte leise auf und riß sich von dem erstaunlichen Anblick los. Sein Blick fiel auf einen durchsichtigen, völlig klaren Kristall von Erbsengröße, der in zwei Meter Höhe bewegungslos in der Luft hing. Fast erschrocken deutete der Physiker darauf und rief verdutzt: „Die Erklärung, Rous? Schwerelos schwebt hier ein kristalliner Gegenstand. Hat die Gravitation auch etwas mit der Verlangsamung der Zeit zu tun?"
Rous betrachtete den Kristall und lächelte erleichtert.
„Mein lieber Steiner, ich sagte vorhin schon, alles findet seine Erklärung. Nun, so auch dieser
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