0066 - Dämonenrache
Wagens. Zamorra nahm das Amulett, das ihm Macht gab über die Dämonen.
Er berührte damit Nicoles Stirn. Ein Fauchen ertönte, gleich darauf ein scheußliches Gebrüll. Nicole sah an sich hinab. Die Dämonenfratze auf ihrer Brust regte sich.
»Abu Dschafar muß das Amulett sehen, schnell!« rief Zamorra.
Nicole riß die teure Cardin-Bluse auf, daß die Knöpfe flogen. Die Augen des Dschinn loderten. Die grellen Farben in dem runden Gesicht mit den zwei gewundenen Hörnern leuchteten giftig von innen heraus.
Der rote Schädel mit den blauen Schattierungen bewegte sich.
»Zamorra!« grollte die Stimme des Dämons.
Zamorra hielt das Amulett nahe vor ihn hin. Der Dschinn schloß die Augen. Zamorra konzentrierte sich darauf, daß er in einen Zustand der Ohnmacht fallen sollte. Er wollte ihn nicht vernichten.
Der Schweiß trat Zamorra auf die Stirn, so strengte ihn die Konzentration an. Ein letztes Fauchen und Grollen kam von dem Dämon. Die Farben seiner Fratze wurden blasser. Er war fürs erste ausgeschaltet.
Zamorra strich nun Nicole beruhigend über die Stirn, die ihn mit schreckgeweiteten Augen ansah. Es war furchtbar für sie, daß dieser böse, dämonische Kopf gewissermaßen ein Teil ihres Körpers war.
Zamorra konnte es ihr nachfühlen.
Er ließ das Amulett; vor Nicoles Augen baumeln. Sie sah in seine Augen, und dann versank sie in eine hypnotische Trance. Das silberne Amulett schien alles auszufüllen. Zamorras Augen waren zwei dunkle Schächte, in die Nicole hineinstürzte.
Ihr Bewußtsein war ausgeschaltet, wenn sie auch die Augen noch offen hatte und dasaß. Bill Fleming stand im Hintergrund.
»Chadischa«, sagte Zamorra sanft. »Die Tochter Abu Dschafars befindet sich in meinem Bann, in meiner Gewalt. Ich rufe dich, Chadischa, komm!«
Das Singen und Klingen ertönte, die Melodie der Chadischa. Jetzt sah auch Bill Fleming den leuchtenden Schein, aus dem sich die Gestalt der bildschönen, traurigen jungen Frau in der Haremskleidung materialisierte. Eine geisterhafte Aura umgab sie.
Die Melodie wurde leiser, blieb im Hintergrund und untermalte die Worte der Erscheinung.
»Du hast es vollbracht, Meister des Übersinnlichen! Jetzt kann ich frei und offen reden. Ich will dir meine Geschichte erzählen, die Geschichte der unglücklichen Chadischa.«
»Etwas muß ich vorher wissen«, sagte Zamorra. »Hat der Dämonenkopf Abu Dschafar, Abd el Bekim und den Dämonenanhängern vielleicht mitteilen können, wo wir uns im Moment aufhalten? Ich will nicht die ganze Bande auf dem Hals haben.«
»Hab keine Sorge«, sagte Chadischa, die jetzt laut sprach, mit klingender Stimme. Weder Zamorra noch Bill Fleming hätten sagen können, welcher Sprache sie sich bediente. Aber sie verstanden sie Wort für Wort. »Der Einfluß deines magischen Amuletts hat den Kopf des Dschinn daran gehindert, eine Verbindung aufzunehmen. Ihr seid hier in Sicherheit.«
»Dann rede«, sagte Zamorra und stellte sich leger und bequem hin. »Ich will alles wissen.«
Professor Zamorra und Bill Fleming erfuhren die Geschichte der Sultanstochter Chadischa. Es war ihnen, als erlebten sie diese Ereignisse aus längst vergangener Zeit mit.
***
Die Erscheinung erzählte: Chadischa war die einzige Tochter des Sultans Oman al-Bakr und seiner Lieblingsfrau Halima. Sultan Oman hatte noch viele andere Kinder von den Frauen seines Harems, allein vierundzwanzig Söhne. Aber keines seiner Kinder liebte er so wie Chadischa.
Sie war sein Augapfel. Mit vierzehn Jahren war sie zu einer Schönheit herangewachsen, die im ganzen Land nicht ihresgleichen fand.
Sie war schlank und bildschön, ihre Haut so frisch und zart wie die eines Pfirsichs, ihre Augen klar und leuchtend und ihre Lippen so rot wie die Blätter einer Rose.
Ihre Stimme klang wie eine silberne Glocke, und wer sie sah, war von ihr bezaubert. Sultan Oman, ein alter Mann schon, suchte Chadischa jeden Tag auf oder ließ sie zu sich kommen, um ihre Gesellschaft zu genießen.
Er war ein milder, sanftmütiger Herrscher, unter dessen Regierung die Künste gediehen und Handel und Wandel blühten. Tingis war keine große Stadt und das Sultanat Oman al-Bakrs nicht bedeutend. Er hatte nie das Verlangen verspürt, es zu vergrößern.
Die größte Sorge und der einzige Kummer des Sultans war es im Moment, daß Chadischa ins heiratsfähige Alter kam. Sie dachte noch nicht an einen Mann, denn sie war sehr behütet erzogen worden. Aber die Kunde von ihrer Schönheit und Anmut hatten sich
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