0066 - Dämonenrache
herumgesprochen und viele bedeutende Herrscher und reiche, angesehene Männer warben um sie, für sich selbst oder für ihre Söhne.
Sultan Oman wollte Chadischa aber nicht vermissen. Er kam immer mehr in das Alter, in dem man sich nur noch mit den Augen an weiblicher Schönheit erfreute. Und Chadischa war die Schönste weit und breit.
Oman al-Bakr fand an jedem Freier, dessen Frau Chadischa werden sollte, etwas auszusetzen. Er war zu klug, um die Freier selber abzulehnen, denn damit hätte er sich Feinde geschaffen. Aber er redete Chadischa zu, machte die Männer schlecht, die um sie warben, und übertrieb selbst kleinste äußerliche Fehler und bauschte sie auf.
Chadischa nahm jedes Wort des Sultans für bare Münze. Da sie sehr unerfahren war, stellte sie bald maßlose Ansprüche an den Mann, dessen Frau sie einmal werden sollte. Sie begutachtete jeden Freier, der in den weißen Palast des Oman al-Bakr kam. Während eines Gastmahles spähte sie durch eine verborgene Luke, und später sprach sie mit ihrem Vater, dem Sultan, der sie bereits gegen den Freier aufgehetzt hatte.
Der eine Mann war ihr zu groß, der andere zu klein. Einer lachte zu laut, der nächste sprach zu leise. Bei einem standen die Augen zu eng zusammen, der nächste hatte eine zu kleine Nase oder zu große Ohren. Jener war zu alt, dieser zu jung, einer war kahlköpfig, ein anderer litt an Mundgeruch und vieles andere mehr.
Chadischa bemerkte nicht alles selbst. Die Sklavinnen, die die Gäste bedienten, berichteten ihr. Oman al-Bakr hatte ihnen gesagt, was sie erzählen mußten.
So lachte sich der Sultan ins Fäustchen, und die Freier kamen und zogen betrübt wieder ab.
»Du wärst mir hochwillkommen als Mann meiner Lieblingstochter Chadischa«, sagte Oman al-Bakr in seinem Thronsaal mit den weißen Marmorsäulen zu fast jedem Freier. »Aber Chadischa hat eine Abneigung gegen dich gefaßt, Allah sei es geklagt! Ich habe alles getan, um sie umzustimmen, aber vergebens. Ihr Herz kann ich nicht zwingen, und ich bringe es nicht über mich, sie unglücklich zu machen, indem ich sie mit einem Mann verheirate, den sie nicht liebt.«
Wenn der Freier sehr hartnäckig war und die Entscheidung von Chadischa selbst hören wollte, ließ der Sultan sie manchmal holen.
Dann huschte sie in den Saal, zart, anmutig und verschleiert, mit gesenktem Blick.
Alle starrten sie an, als sei sie kein Wesen dieser Erde, sondern eine Huri des Paradieses.
Der Freier erhob sich. Chadischas Blick streifte ihn, und dann schüttelte sie kaum merklich den Kopf.
Die meisten Freier schickten sich in diese Entscheidung. Ein paar stießen verhüllte Drohungen aus, aber Oman al-Bakr erfreute sich eines Bündnisses mit dem mächtigen Harun al-Raschid und hatte ein stehendes Heer. Zudem lebte sein Land schon seit zwanzig Jahren im tiefsten Frieden, und er glaubte, das müsse immer so bleiben.
Bis zu Chadischas siebzehntem Geburtstag hatte der Sultan auf seine geschickte Art Hunderte von Bewerbern um Chadischas Hand abgewiesen.
Am siebzehnten Geburtstag der schönen Chadischa trafen nun Werber des Kalifen Harun al-Raschid ein. Der große Kalif wollte Chadischa als Hauptfrau für seinen Sohn Amin den Starken, der einmal sein Nachfolger werden sollte. Amin kam nicht selbst mit den Werbern, da er an der Ostgrenze des Reiches gegen die Heere der Herrscher von Samarkand und Kabul kämpfte.
Die Werber hatten aber ein lebensgroßes Bild des Kalifensohnes mitgebracht, das ihn auf einem prächtigen Araberhengst zeigte.
Amin war ein großer, schöner Mann, zudem noch herrlich gekleidet.
Es war eine große Ehre für Chadischa und den alten Sultan Oman al-Bakr, daß Harun al-Raschid Werber schickte.
Halima, Omans Lieblingsfrau, redete ihm zu, Chadischa endlich zu verheiraten. Aber Oman, nun schon ein Siebziger, kränklich und launisch, zögerte nur kurz. Er wollte davon nichts wissen.
Chadischa sollte in seinem Palast bleiben, bis er einmal starb. Was danach kam, interessierte ihn nicht. Er ließ natürlich ein großes Fest für die Werber des großen Kalifen ausrichten. Ganz Tingis war geschmückt, der Sultanspalast eine Stätte des Trubels und der Freuden.
»Ich bin hocherfreut über diese Werbung«, versicherte der alte Oman immer wieder. »Und ich will meiner Chadischa zureden, daß sie die Werbung des Harun al-Raschid für seinen Sohn Amin annimmt. Sicher wird sie das tun, denn Besseres könnte ihr nicht wiederfahren.«
Gastmähler wurden gegeben, und Sultan Oman verstand es,
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