0066 - Ich folgte dem roten Wagen
vor mir her. Draußen stiegen wir in den Dienstwagen. Ich fuhr langsam an.
»Ich würde dir sehr empfehlen, jetzt den Mund aufzumachen«, brummte ich.
Marshall räusperte sich. Er war fertig mit seinen Nerven, das konnte man ihm ansehen. Wenn wir irgendwann eine Chance bei ihm hatten, dass er sprach, dann konnte es nur jetzt sein.
Gespannt wartete ich, dass er auspackte. Routinemäßig glitt mein Blick dabei über die Straße, durch die wir fuhren, über Tachometer und Rückspiegel.
Und dann sah ich plötzlich den roten Sportwagen, der knapp dreißig Yards hinter uns heranschoss.
»Deckung!«, brüllte ich und warf mich nach vorn, indem ich den Oberkörper versuchte, unterhalb des Steuers in Sicherheit zu bringen. Gleichzeitig trat ich das Bremspedal bis unten durch.
Der Wagen schlidderte mit scharf quietschenden Reifen über die Straße. Im gleichen Augenblick war auch schon der Sportwagen heran und das bösartige Tuckern einer Tommy Gun klang auf.
Das Sicherheitsglas des Dienstwagens splitterte berstend, Marshall brüllte etwas Unverständliches - und dann war der ganze Spuk auch schon vorbei.
Ich hob vorsichtig den Kopf. Marshall lag halb auf mir. Ich hob ihn zur Seite.
Meine Finger wurden feucht.
Er hatte die volle Garbe der Tommy Gun in der Brust, weil er meine Warnung nicht rechtzeitig genug befolgt hatte.
Billy Marshall würde uns nun überhaupt nichts mehr nutzen können. Seine eigenen Kumpane hatten ihn umgelegt, damit er sie nicht verpfeifen konnte.
Ich stieg aus, nachdem ich den Wagen ein Stück vom Bürgersteig zurück auf die Straße gesetzt hatte. Von dem roten Sportwagen war nichts mehr zu sehen. Dafür heulten die Sirenen zweier Funkstreifenwagen auf.
Im Nu waren sie heran und stoppten neben meinem Dienstwagen, vier bullige Cops sprangen heraus und überfielen mich mit einem Schwall von Fragen. Ich hielt ihnen erst einmal meinen Dienstausweis hin. Sie wurden ruhiger, ich konnte ihnen den Verlauf des gefährlichen Abenteuers berichten.
Wir brachten den Toten in die Leichenhalle, wo er nun in ein ähnlich kühles Gefängnis gelegt wurde wie das Kind, das möglicherweise von ihm ermordet worden war.
***
Nachdem ich mit den Cops noch die Formalitäten mit dem Protokoll geregelt hatte, fuhr ich zurück zum FBI-Gebäude. Als ich Billy aufsuchte und ihm die Geschichte erzählte, griff er wortlos in seinen Schreibtisch, holte ein Glas und eine Whiskyflasche hervor und goss mir das Glas halb voll.
»Trinken Sie, Jerry«, sagte er. »Nach dem Schreck wird es Ihnen guttun.«
Er hatte recht. Wie üblich in solchen Fällen kam die Reaktion erst nachher. Ich spürte, dass sich in meinem Magen ein Gefühl der Übelkeit regte. Eine Sekunde später in den Rückspiegel geblickt - und nicht nur der Gangster wäre ins Leichenschauhaus gebracht worden.
»Sie müssen das FBI-Gebäude ständig beobachtet haben«, murmelte ich, nachdem ich einen kräftigen Schluck von dem Whisky getrunken hatte. »Sonst hätten sie mich nicht so schnell mit Marshall abfangen können.«
Billy nickte.
»Es beweist jedenfalls, dass sie mehrere Leute haben müssen, dass sie absolut skrupellos Vorgehen und dass sie verdammt harte Burschen sind.«
»Sie haben nichts zu verlieren«, stimmte ich zu. »Auf Kidnapping steht die Todesstrafe. Da sie sich dieser Sache bereits schuldig gemacht haben, brauchen sie auch vor Morden nicht mehr zurückzuschrecken. Sie können nur einmal hingerichtet werden.«
»Eben. Wir wollen mal die Papiere sichten, die sich inzwischen auf meinem Tisch wieder angesammelt haben.«
Er schob mir die Hälfte zu. Wir lasen sie und informierten uns gegenseitig.
Zunächst war eine vollständige Liste aller Bekannten der Marshalls aufgestellt worden. Die Liste umfasste über hundert Leute, wobei weder der Briefträger noch der Milchmann vergessen waren. Billy gab die Liste an den Leiter des Bereitschaftsdienstes weiter, wo eine Überprüfung aller Leute veranlasst wurde. Natürlich würde das mehrere Tage in Anspruch nehmen.
Die zweite vorliegende Liste war nach den vertraulichen Informationen zusammengestellt worden, die uns Banken, Kreditinstitute, führende Geschäftsleute und einige V-Leute des FBI geliefert hatten. Ungefähr jeder, der in Louisville und der unmittelbaren Umgebung in größeren Geldschwierigkeiten war, stand darauf. Auch diese Leute mussten überprüft werden.
Eine dritte Liste enthielt Angaben über alle jene Leute, die nachmittags zwischen drei und vier Uhr in der Shelve Road
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