0067 - Der Teufelskrake
dieser Szene hätte sein können.
Er hätte den jungen Mann sehen müssen, dessen Mund unter Wasser plötzlich aufgerissen wurde. Zu einem stummen Schrei. Zu seinem letzten Schrei. Denn der junge Mann war sofort tot.
Er war von einer Harpune getroffen worden.
Und es war Cirelli, der die Harpune abgefeuert hatte.
***
Diesmal fuhren sie gemeinsam hinaus. Sie wollten sich zusammentun, dem Feind gemeinsam auflauern.
Im vorderen Boot waren die Borellas. Der alte Luca mit seinen Söhnen Petro und Filipo.
Cristina, Tresis Tochter, hatte nicht verhindern können, daß ihr Geliebter wieder hinausfuhr.
Das zweite Boot war der Kutter Corinas. Enrico, der Alte, saß am Steuer. Die Söhne wechselten sich an den Rudern ab. Giovanni, Piero und Frederico.
Sieben Mann gegen ein Ungetüm. Sieben entschlossene und verwegene Fischer gegen das Ungeheuer aus der Tiefe. Mit grimmigen Mienen verfolgten sie jede Bewegung im Wasser.
Heute kam es ihnen nicht darauf an, der Spur der großen Fische zu folgen. Sie würden fischen, wenn sich Gelegenheit dazu bot. Sie mußten einen Fang machen. Aber es war ihnen gleichgültig, wie groß die Beute diesmal ausfallen würde.
Sie waren auf Jagd nach einer größeren Beute. Und seit sie wußten, daß das Ungeheuer nur ein Mensch in seiner gräßlichen Verkleidung war, hatten sie Mut gefaßt.
Geister und Dämonen waren ihnen unheimlich. Man konnte sie nicht abwenden. Man war ihnen ausgeliefert.
Aber hier stand ein Mensch gegen sie.
Und dieser Mensch war Cirelli.
Für die Fischer gab es keine andere Erklärung.
Sie fuhren wieder in südlicher Richtung, auf die tückischen Felsen zu. Aber diesmal wollten sie gebührenden Abstand von den Strudeln halten. Sie würden das letzte Wagnis nie wieder eingehen. Zu drohend, zu gewaltig war die Macht der Brandung, der Sog der ungeheuren Strudel bei den Felsen der Scylla und der Charybdis. Das war eine Hölle aus Wasser, das war der Rachen des Todes, der sich vor ihnen auftat.
Dort durften sie nicht sein. Dort wollten sie abwarten, wenn Cirelli sich mit seinem Boot zeigen würde.
In der ersten Stunde sahen sie nichts als das Meer und den grau verhangenen Himmel.
Keine Schwärme von Fischen. Keine Beute. Weder Nahrung noch Rache. Weder Feind noch Freund. Denn der Fisch war ihr Freund, auch wenn sie ihn fangen und erlegen mußten.
Dann sah Piero die schmale weiße Gischtspur als erster.
»Da drüben!« rief er dem alten Corina leise zu. »Zehn Grad Westsüdwest. Das muß das Boot sein, Padre.«
Es war Cirellis Boot. Kein Fisch zog so gerade durchs Meer, kein Fisch konnte mit seinen Flossen eine solche Spur im Wasser hinterlassen. Auch nicht der größte und mächtigste.
Jetzt sahen alle die Spur.
Corina ließ den Kutter stoppen, rief zum Boot Borellas hinüber.
»Dort drüben ist er!«
Da stoppten auch die Borellas ihr Boot.
Gespannt sahen sie auf die dünne weiße Spur, die noch immer geradeaus lief.
»Er ist nicht tief«, sagte Piero Corina.
»Nein«, brummte sein Vater. »Er darf nicht sehr tief sein. Sonst kommt er nicht an uns heran. Und das ist es, was er will.«
»Wird er angreifen?«
»Noch nicht. Es ist nicht einmal sicher, ob er uns schon gesehen hat.«
»Dann machen wir uns doch über ihn her!« schlug Borella vor.
»Nein, Luca. Es ist zu früh. Er würde uns entkommen. Sein U-Boot läuft uns davon, wie ein Flugzeug einem Omnibus.«
»Und wann greifen wir an?« fragte Giovanni.
»Das wagen wir nur, wenn er aus dem Boot heraus ist.«
»Wir könnten das Boot kapern, Vater.«
»Nein, das können wir nicht. Wir schaffen es nicht. Er würde uns bemerken, wenn wir näher herangehen. Er entkommt uns, sobald wir ihn im Boot erreichen wollen. Er muß heraus.«
Sie schwiegen viele lange Minuten.
Das U-Boot zog weiter. Die schmale weiße Spur kam näher. Bald glaubten sie schon, den weißen Rumpf des Fahrzeugs zu erkennen.
Jetzt war Cirelli keine hundert Meter neben ihnen. Er fuhr weiter.
Die Fischer wußten nicht, was sie davon halten sollten.
»Er greift nicht an«, meinte Borella.
»Er wartet auf uns«, brummte Petro, sein Ältester.
»Das kann er haben«, brüllte Enrico Corina los. »Wir warten nicht mehr. Wir umzingeln das Boot. Wir tauchen und greifen ihn an. Wir holen ihn heraus aus seiner Behausung aus Eisen und Stahl. Er muß sich stellen, oder wir reißen das Boot in Stücke! Es ist nicht sehr groß. Wir können es schaffen!«
Enrico wollte sich schon ins Wasser stürzen, auf das U-Boot zuschwimmen, das jetzt
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