0067 - Der Teufelskrake
anhielt. Die weiße Schaumspur am Heck hörte auf. Also mußte das Boot gestoppt haben.
»Auf den Mörder der Tresis und Corinas!« rief Borella aus. Er stand auf dem Rand seines Bootes, bereit, sich in die Fluten zu stürzen.
Da riß ihn Filipo, sein Jüngster, zurück.
»Was hast du?« schnauzte der Alte ihn an. »Hältst du deinen Vater für feige?«
»Nein, Padre.«
»Und warum hinderst du mich?«
»Deshalb«, sagte Filipo und zeigte auf eine Stelle im Wasser.
Dort schien die See jetzt zu kochen. Mächtig türmten sich die Wellen auf. Im Halbdunkel der Morgendämmerung war noch alles Grau in Grau.
Aber dann! Ein schwarzer Klumpen, ungeheuer wie der Gipfel eines Berges, tauchte aus dem Wasser auf!
»Das Monster!« schrie der alte Corina.
»Der Krake!« rief Borella.
»Das ist Cirelli!« fuhr Filipos Stimme über das Meer.
Wieder stellte sich Borella auf den Bootsrand. Er legte die Hände an den Mund, formte einen Trichter aus den beiden Handflächen.
Mit großer Sicherheit hielt er sein Gleichgewicht auf dem schwankenden Boot.
»Hörst du mich, Cirelli, du Sohn der Hölle! Uns kannst du nicht mehr täuschen! Du bist nicht das Monster, an das wir glauben sollen! Du bist die Ausgeburt der Unterwelt, gemeiner Mörder! Jetzt holen wir dich! Sprich dein Abschiedsgebet, Cirelli!«
Seine Söhne hinderten ihn nicht mehr am Sprung. Sie sahen, wie er in einem heranrollenden Brecher untertauchte.
Ein schneller Blick auf das Ungeheuer, das wie ein scheußlicher schwarzer Klumpen den Booten entgegenschwappte. Ein Ungeheuer, dessen Arme die See aufwühlten.
Acht dicke und lange Arme, die sich durch die Wellen wühlten, ihren Opfern entgegen.
»Halte das Boot!« rief Filipo dem Bruder zu.
Dann war er bereit. Er sprang nicht. Er flog in einem gestreckten Hechtsprung dem Vater nach. Dem ungewissen Schicksal entgegen.
Dem Kampf mit dem Tier aus der Tiefe. Dem Kampf auf Leben und Tod, gegen den verhaßten Cirelli.
Er sank, und er tauchte wieder hoch. Er sah den Vater vor sich.
Das Ungeheuer hatte einen seiner mächtigen Arme um den Leib des Alten geschlungen.
Filipo sah, wie dem Vater bereits die Luft ausging.
Da stürzte er im Wasser nach vorn, mit einer Kraft, mit einem Ungestüm, als würde er sich auf dem Land vorwärtsbewegen.
In seiner Hand blitzte das Messer auf. Das lange, gekrümmte Messer, das sonst den störrischen Schwertfisch aufriß.
Filipo holte aus. Stach zu. Traf den Arm des Kraken.
Schon war das Messer wieder heraus aus dem glitschenden Klumpen aus Knorpel und Fleisch. Schon sauste es wieder herab.
Viermal, fünfmal bohrte sich die tödliche Klinge in das Fleisch des Ungeheuers.
Dann ein letzter gewaltiger Hieb.
Filipo sah mit Erleichterung, wie der Klumpen vor ihm sich teilte.
Er hatte den Arm vom Rumpf des Ungeheuers getrennt!
Aber da sah er den Schatten halbrechts. Ein anderer Krake stieß auf ihn zu, schleuderte ihm seine Arme entgegen!
Zwei der mächtigen Tentakeln fuhren auf den jungen Fischer los, wickelten sich klatschend um seinen Leib. Wie die Peitsche eines Cowboys um einen Pfahl. Unausweichbar, hart und drohend.
Filipo schnappte nach Luft.
Das Ungeheuer riß ihn mit sich nach unten. Filipo sah noch, wie der Vater ihm tauchend folgte.
Wütend schoß der alte Borella hinter dem Untier her, das den Sohn in seinen fürchterlichen Klauen hielt.
Noch im Hinuntertauchen stieß er zu, wie vorhin sein Sohn. Aber er brauchte mehr Hiebe und Stiche, um den Arm des Kraken zu verletzen. Es gelang ihm nicht, einen zweiten Arm vom Rumpf des Ungeheuers zu trennen.
Dann hörte er das kurze Zischen. Und gleich darauf sah Luca Borella, wie die Arme in ihrer Umklammerung nachließen.
Filipo kam frei. Mit schnellen Schwimmstößen brachte er sich ganz in Sicherheit. Schon war er einige Meter von dem Kraken entfernt, vor seinem Zugriff sicher.
Und dann erkannte er erst, wer das Ungeheuer getroffen hatte.
In einem Abstand von dreißig Metern schwebte etwas Dunkles im Wasser.
Noch ein Untier? Noch einer dieser Riesenkraken?
Nein. Ein Oktopode hielt keine Kanone in der Hand. Aber das undefinierbare Wesen da drüben führte einen silbrig glänzenden Apparat bei sich. Eine Art Kanonenrohr.
Das war Cirellis Harpune!
Borella sah nach unten. Der getroffene Krake sank langsam dem Meeresboden entgegen. Und in seinem Kopf steckte das Geschoß der Harpune!
Er machte dem Sohn ein Zeichen, wies mit der Hand auf Cirelli.
Der Forscher gestikulierte wie wild. Dann drückte er einen kleinen Hebel
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