0067 - Zwischen 1000 Tonnen Dynamit
kommen«
»Okay, Sir«, nickte der Fahrer. Und dabei dachte er: sieh an, der alte Knabe wandelt noch auf Freiersfüßen! Na, das erklärt natürlich, warum er sich in so eine einsame Gegend fahren läßt. Liebespaare wollen immer allin sein - ganz gleich, wie alt die Leutchen sind.
Er gab Gas und fuhr den schnittigen Wagen so aus, wie es ein Mittel zwischen gewünschter Eile und gerade noch vertretbarer Geschwindigkeitsübertretung erlaubte. Nach einer knappen Viertelstunde war Boom am Nordwesteingang des großen Naturschutzparkes angekommen. Er stieg aus und bezahlte den Fahrpreis.
»Soll ich Sie vielleicht zu ’ner bestimmten Zeit hier wieder abholen, Sir?« fragte der Fahrer in der Hoffnung auf eine einträgliche Nachtfahrt.
Aber Tom schüttelte den Kopf. »Nein, das wird wenig Zweck haben«, murmelte er abweisend. »Ich weiß nicht, wie lange…«
Als der Fahrer abfuhr, sah er gerade noch, wie Tom durch den Parkeingang verschwand. Die dichten Zweige einer großen Trauerweide verdeckten ihn rasch.
Boom kannte auch diese Gegend. Er hatte hier oft Spaziergänge gemacht, weil er den wilden Zustand des Naturparks liebte.
Hier ließ man die Natur wuchern und wachsen, wie es ihr gefiel. Nicht einmal Wege gab es, dafür sollten aber Rehe, unzählige Eichhörnchen und sogar ein paar Stück Damwild in den Tiefen des unkultivierten Waldes leben.
Die Dämmerung hing grau und langsam vorrückend vom Himmel herab und tauchte alles in ein mildes Zwielicht. Bis zum Einbruch der völligen Dunkelheit konnte höchstens noch eine Stunde vergehen, und in dieser Zeit mußte er den Park durchquert, den hohen Drahtzaun zum Sprengplatz überstiegen und bis an die Fabrikmauer seinen beschwerlichen Weg fortgesetzt haben.
Im Dunkeln hätte er nicht die leiseste Chance, sich in dem chaotischen Dickicht des Parks zurechtzufinden, und auch auf dem Sprengplatz war es im Finstern nicht ganz ungefährlich. Kaninchen und Füchse hatten hier ihre Höhlen gegraben. Man konnte sich leicht alle Knochen brechen, wenn man im Dunkeln durch dieses Gelände marschierte.
Die Himmelsrichtung kontrollierte Tom nach dem Stand der untergehenden Sonne. Wo der Himmel in ein glühendes Rot getaucht war, da mußte Westen sein. Er brauchte nur immer der Abendröte nachzugehen, um einmal an die Grenze zwischen Park und Sprengplatz zu gelangen.
Er schritt rüstig aus. Trotz seiner Jahre tat ihm dieser Spaziergang sehr wohl. Nur spürte er einen leichten Schmerz im Kopf, weil er ungewöhnlich viel Bier getrunken hatte. Das war er nicht gewöhnt, aber in der frischen Luft hoffte er, eine baldige Besserung des Kopfschmerzes zu erreichen.
Boom kletterte über gestürzte Bäume, über knorrige Eichenwurzeln und unter herabhängenden Schmarotzerpflanzen hindurch. Er wich einem kunstvoll gewebten Spinnennetz aus, weil er nicht die feine Arbeit des Tieres zerstören wollte. Er fühlte sich so wohl in dieser stillen, schweigsamen Natur, daß er ein paarmal in Versuchung geriet, irgend etwas Lustiges vor sich hin zu pfeifen.
Manchmal hatte er sein eigentliches Vorhaben so weit vergessen, daß er sich dabei ertappte, wie er sich selbst die Frage vorlegte, warum er denn nicht jeden Abend so einen schönen Spaziergang machte.
Er erreichte die Mauer der Fabrik gerade, als der letzte Schimmer des Abendrotes am westlichen Himmel erlosch.
Er suchte ‘seine Dietriche und die Taschenlampe hervor und leuchtete das Schloß an. Bedächtig wählte er einen der gebogenen Drähte, deren Größe ihm die richtige zu sein schien, und schob ihn langsam in das Schloß.
Es gelang nicht gleich beim ersten Versuch, aber er brauchte doch nicht länger als ein paar Minuten, bis sich der Riegel des Schlosses kreischend bewegte. Die Angeln der Tür quietschten, als er sie aufzog, und er lauschte gespannt, ob vielleicht zufällig gerade einer der Nachtwächter in der Nähe seine Runde machte und das Quietschen gehört hatte.
Aber es blieb alles still.
Boom huschte durch die enge Pforte und zog sie hinter sich wieder zu. Als er vorsichtshalber auf der Innenseite stehenblieb und wieder das Schloß anleuchtete, um die Tür hinter sich abzuschließen, entdeckte er ein paar frische Kratzer im Schloß. Konnten sie von seinem Dietrich stammen? Aber das war nicht gut möglich, denn er hatte den Dietrich doch nicht von außen bis über die Innenseite heraus durchgestoßen.
Er sah genauer hin und machte eine zweite Entdeckung: dieses Schloß war vor kurzer Zeit frisch geölt worden. Da es seit
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