0069 - Der unheimliche Bogenschütze
zugesagt. Außerdem will ich wirklich nicht, daß dort eine Schnellstraße gebaut wird. Wenn du es schaffst, den Bogenschützen zu stellen, wäre das wirklich gut.«
»Vorausgesetzt, es gibt ihn«, warf ich ein.
»Warum nicht?« rief Bill. »Das haben sich die Menschen nicht aus den Fingern gesaugt. Und sie haben ja schließlich den Toten mit einem Pfeil in der Brust gefunden. Den letzten, meine ich.«
Ich atmete tief ein. »Okay, du hast mich überzeugt, Bill.«
Der Reporter strahlte. »Wußte ich’s doch. Willst du Suko auch mitnehmen?« fragte er.
»Nein. Er und Shao haben sicherlich etwas anderes zu tun. Seit Shao wieder zurück ist, hängen sie noch mehr aneinander.« Ich hatte Bill von meinem Abenteuer in Paris berichtet und auch davon, was mit Shao geschehen war. [2]
Bill lächelte. »Das kann ich verstehen. Obwohl den beiden eine Luftveränderung vielleicht guttun würde.«
Ich trank meinen Mokka. Er war lauwarm. Draußen wurde es inzwischen dunkel. Ein trüber Sommertag ging zu Ende. Geregnet hatte es zwar nicht, aber es war für die Jahreszeit – immerhin schrieben wir Anfang Juli – doch zu kühl.
»Was macht ihr eigentlich mit dem kleinen Johnny?« fragte ich.
»Den nehmen wir mit«, erwiderte Sheila.
Ich hob überrascht die Augenbrauen.
»Das Mädchen ist in Urlaub«, erwiderte Sheila.
Ich bedachte mein Patenkind mit einem raschen Blick. Es spielte friedlich in seinem Laufstall.
»Ich werde schon darauf achtgeben, daß ihm nichts passiert«, sagte Sheila.
»Das kann ich mir gut vorstellen.«
Wir machten noch aus, daß wir mit meinem Bentley fuhren. Der Wagen bot mehr Platz als Bills Porsche.
Nach einer Stunde verabschiedete ich mich mit dem Versprechen, am übernächsten Tag früh auf der Matte zu stehen. Bill brachte mich noch bis zum Wagen.
»Du bist doch nicht sauer, John, daß ich dir das Wochenende verdorben habe?«
»Nein. Wenn der Bogenschütze tatsächlich existiert, bin ich dir sogar sehr dankbar.«
Bill lächelte. »Dann kann ja nichts schiefgehen.«
***
Die Köchin sah aus, wie man sich eine Köchin vorstellt.
Klein, rund, Übergewicht, rosige Wangen und herzensgute Augen. Sie herrschte über das Personal, das aus drei Kellnern, vier Stubenmädchen und zwei Küchenhilfen bestand. Hinzu kam noch Ed Morris, der Butler.
Und alle Bediensteten arbeiteten für eine Agentur. Roman Willard, der Schloßverwalter, hatte die Leute in Custers Auftrag engagiert und sie in der Küche versammelt.
Dort gab er seine Instruktionen.
»Mr. Custer möchte, daß alles glattläuft«, sagte er. »Also, keine Pannen. Sie werden das tun, was Ihnen Mr. Morris sagt, und damit meine ich besonders die beiden Küchenhilfen, die beim Auftragen des Essens helfen. Ich hoffe, Sie wissen, wie das über die Bühne geht.«
Die beiden Küchenhilfen nickten. Es waren junge Mädchen, kaum zwanzig Jahre alt.
Ramon Willard ließ seine Blicke über die wohlgeformten Körper wandern und leckte sich kurz die Lippen. Er hatte lange nicht mehr so etwas Knuspriges gesehen, und sicherlich würde er es schaffen, die eine oder andere herumzukriegen, denn auch bei den Stubenmädchen waren einige knackige Girls.
Roman Willard war ein rechter Schwerenöter. Mit knapp fünfundvierzig Jahren zählte er sich selbst noch nicht zum alten Eisen, sondern genoß das Leben oder versuchte es wenigstens. Sein graues Haar war so gekämmt, daß es die ersten kahlen Stellen auf dem Kopf verdeckte. Die gebräunte Haut bewies, daß sich Willard oft in der freien Natur aufhielt. Er hielt sich immer sehr gerade, ging leicht und federnd und schien mit seinen grauen Augen jeden durchbohren zu wollen.
Ein wahrer Gentleman, pflegten die einen zu sagen.
Andere wiederum hielten ihn für einen schleimigen Weiberhelden.
Ihm war es egal. Er hatte über das Schloß zu wachen, und diese Arbeit machte er gut. Willard stammte aus Sealford, er liebte das Land und die Umgebung, kannte alle Geschichten, die man sich erzählte, und war Mitglied in zahlreichen Heimatvereinen.
Eine halbe Stunde lang redete er. Dann – so hoffte er – hatten die Leute alles begriffen.
»Und beeilen Sie sich«, sagte er zum Abschluß, »die Herrschaften werden schon gegen Mittag eintreffen.«
»Ich werde schon dafür Sorge tragen«, erwiderte Ed Morris steif. Er trug einen Frack und hatte einen Gesichtsausdruck, der an Blasiertheit kaum noch zu überbieten war.
Ein echter Butler…
Roman Willard nickte noch einmal und verließ die modern eingerichtete
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