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0070 - Die Brücke ins Jenseits

0070 - Die Brücke ins Jenseits

Titel: 0070 - Die Brücke ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F. Morland
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waren die Reiter fort. Zamorra konzentrierte sich wieder auf die magischen Fesseln. Eine kleine Kraftreserve befand sich noch in seinem Amulett. Wenn es ihm gelang, mit seinem Geist diese Kraft zu mobilisieren, mußte es ihm möglich sein, die unsichtbaren Fesseln wenigstens zu lockern…
    Schweiß trat ihm auf die Stirn. Die mächtige Anstrengung pochte in seinen Schläfen. Er atmete schwer. Vor dem Zelt standen zwei von Namsis Dienern. Reglos wie Statuen standen sie da, sprachen kein Wort, bewachten im Auftrag des Zauberers den wertvollen Gefangenen, dessen Todesurteil bereits gesprochen worden war.
    Ganz in der Nähe, vermutlich in einem Nachbarzelt, wimmerte ein Mädchen. Manchmal schluchzte sie. Dann weinte sie. Oder sie stieß kurze spitze Schreie aus. Es hörte sich an, als mache sich jemand ein höllisches Vergnügen daraus, das Mädchen auf die grausamste Weise zu foltern.
    Es waren die Schreie der unglücklichen Selima, die Zamorra hörte.
    Er hatte den brennenden Wunsch, zu helfen, aber er kam von diesen verdammten magischen Fesseln nicht los.
    Wieder nahm, er all seine geistige Kraft zusammen, um die unsichtbaren Fesseln wenigstens zu lockern. Er schaltete völlig ab. Das fiel ihm nicht leicht, denn das Weinen und Stöhnen des Mädchens lenkte ihn immer wieder ab.
    Er konzentrierte sich völlig auf seinen silbernen Talisman. Langsam spürte er, wie das Silber auf seiner Brust kalt wurde. Diese Kälte floß in seinen Körper ein und strömte weiter in die Glieder. Nun spannte Zamorra mit aller Kraft die Muskeln. Ein leises Knirschen war zu vernehmen. Die magischen Fesseln dehnten sich.
    Zamorras Herz klopfte rasend schnell. Er freute sich über den errungenen Teilerfolg. Aber die Anstrengung hatte ihn so viel geistige Substanz gekostet, daß er sich ermattet entspannen mußte. Fünfzehn Minuten ließ er verstreichen. Dann versuchte er, aus den unsichtbaren Fesseln herauszuschlüpfen.
    Vielleicht wäre es ihm gelungen, aber Namsi ließ ihm nicht die Zeit dafür. Der Dämon in Menschengestalt näherte sich mit schweren Schritten jenem Zelt, in dem Professor Zamorra lag. Neben ihm ging Ahmet. Der Bursche strich sich grinsend über den schwarzen Oberlippenbart. Auf Namsis Wink traten die beiden Wächter zur Seite. Der Zauberer trat mit Ahmet ins Zelt. Ein grausamer Ausdruck kerbte sich um Namsis dünne Lippen.
    »Nun, Zamorra. Bist du bereit? Jetzt geht es ans Sterben. Es ist alles für deine Hinrichtung vorbereitet!«
    ***
    Mehmet ließ nichts aus. Er erzählte von Konstantinopel, wo er in die Dienste Omar Namsis getreten war, er berichtete von den teuflischen Fähigkeiten des Zauberers und daß Namsi die haarsträubendsten Dinge tun konnte: so zum Beispiel wäre es ihm möglich, sich – wenn er sehr erregt sei – in ein grauenerregendes grünes Schuppenmonster zu verwandeln. Viele böse Tricks habe dieser gefährliche Zauberer auf Lager, und jeder, der ihm übelgesinnt war, konnte mit schwerer Krankheit, mit einem nicht endenden Leiden oder sogar mit dem qualvollsten Tod rechnen.
    Namsi lebte im Jahre 1683.
    »Wir kamen in Kara Mustaphas Gefolge die Donau aufwärts«, erzählte Mehmet mit trockener Kehle. »Wir machten alles nieder, was sich uns in den Weg stellte. Nun stehen wir vor den Toren Wiens. Aber die Stadt trotzt erfolgreich unseren Angriffen. Namsi kann in die Zukunft sehen. Er weiß, daß wir Wien nicht besiegen werden, aber niemand glaubt ihm. Namsi sieht voraus, daß nach langen Verhandlungen ein Entsatzheer zustande kommen wird. Er weiß, daß es sich zu drei Viertel aus Truppen der Erbländer und des Reiches und zu einem Viertel aus polnischen Reitern zusammensetzt. Namsi sagt, daß dieses Heer ehrenhalber dem Befehl des Polenkönigs Sobieski untersteht. Tatsächlich aber soll es von Herzog Karl von Lothringen befehligt werden. Der Herzog wird das Heer im Tullnerfeld sammeln. Er wird es – was Kara Mustapha nicht erwartet – auf die Höhen des ›Kahlengebirges‹ führen. Von dort wird er in die Ebene vorstoßen. Kara Mustapha wird den Fehler begehen, seine Kräfte zu spalten, indem er einen Teil dem Entsatzheer entgegenwirft und gleichzeitig den anderen zu einem letzten Angriff gegen die Festung führt. Wir, die Belagerungsarmee, werden vernichtend geschlagen werden. Alle Schätze und Vorräte zurücklassend werden wir nach Ungarn zurückfluten… Namsi weiß das alles. Aber niemand glaubt es ihm. Der Großwesir hält ihn für einen schwarzsehenden Dummkopf. Kara Mustapha glaubt Namsi

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