0071 - Mit der letzten Kugel
Ein Haken traf mich seitlich am Kiefer und wirbelte mich quer durch die Bude.
Ich stürzte über einen Stuhl und flog der Länge nach hin. Jetzt war Goliath schlauer und verlor nicht eine Sekunde. Er schnellte sich ab, wie ein Pfeil und hechtete auf mich.
Er versuchte es wenigstens. Aber er stürzte auf meine angezogenen Füße. Mit einem Doppeltritt knallte ich ihn gegen die Wand.
Er ging in die Knie, kam aber sofort wieder hoch. Inzwischen stand allerdings auch ich wieder auf meinen Füßen.
»Dich mach ich fertig«, röhrte er. »Dich mach ich fertig…!«
»Viel Spaß, Großmaul!«, sagte ich. Ich wartete gar nicht erst, bis er wieder kam, sondern ging ihm einen Schritt entgegen.
»Machst du mich fertig, wie du vor knapp drei Stunden Rack und Slim fertiggemacht hast?«, fragte ich.
Er stutzte.
»Woher…?«, gurgelte er heraus.
»Ich stand hinter der langen Gardine links vom Schreibtisch«, sagte ich. »Ich habe es genau gesehen, wie du die beiden abgeknallt hast…«
Seine Lippen zitterten. Ob vor Wut oder Schreck war nicht zu unterscheiden. Vielleicht vor beiden.
»Du kommst hier nicht mehr lebend raus!«, röhrte er.
»Keine Übertreibung«. Ich lachte ihm herausfordernd entgegen. »Ich bin noch so jung, dass ich noch einige Jahrzehntchen zu machen hoffe.«
»Keine halbe Stunde wirst du länger leben«, knurrte er in sinnlosem Hass.
Und dann kam es von Neuem. Wir verkeilten uns für ein paar Sekunden so ineinander, dass keiner zu einem rechten Schlag kam. Schließlich riss er eine Sekunde vor mir das Knie hoch und trieb mich damit wieder bis an die Wand zurück.
Er war ein verdammt zäher Bursche. Mir lief etwas warm übers Kinn. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippe und wartete, bis er wieder kam. Ich hatte noch einige Reserven, aber es konnten nicht mehr viel sein, das spürte ich.
Er täuschte, ich ging nicht darauf ein, er setzte die Finte in einen Haken um und traf mich in die linke Seite. Noch während mich der Schmerz durchwühlte, setzte ich ihm die Rechte auf die Nase.
Er röhrte und taumelte zurück. Ich setzte nach und lief ihm in die Linke, die mir aufs Schlüsselbein dröhnte, dass ich glaubte, er hätte es gebrochen. Noch bevor er zu einem zweiten Schlag kam, setzte ich ihm die Faust noch einmal auf die Stirn.
Seine Augenbraue blutete wieder. Er ließ von mir ab und sah sich suchend um. Ich hatte genug damit zu tun, erst wieder einmal Luft zu bekommen. Goliath schoss in die Ecke und bückte sich. Als er sich wieder aufrichtete, hatte er seine Pistole in der der Hand.
»Jetzt mach ich dich doch endgültig fertig«, keuchte er.
»Mit den Fingern aber nicht mehr, Großmaul, was?«, keuchte ich ebenso atemlos wie er.
»No«, stieß er hervor. »Mit der Kugel im Lauf!«
Mir lief etwas kalt über den Rücken. Ich hatte nur sein Magazin herausgenommen. Er hatte noch eine Kugel im Lauf.
Er stand drei Schritte vor mir. Langsam hob er den rechten Arm mit der Pistole.
»Dich möchte ich mal ohne Schießeisen vor mir haben«, wiederholte ich seine eigenen Worte.
Er grinste verzerrt.
»Den Gefallen werde ich dir nicht tun, du elender Bluthund.«
Er zielte auf meinen Magen.
Ich riss mich zusammen. Jetzt musste ich noch drei Sekunden fit sein, dann war alles egal.
Ich sah, wie sich sein Finger langsam krümmte.
Wie eine angriffslustige Viper zischte ich vor, meine rechte Hand schlug seinen Arm zur Seite, meine Linke winkelte nach, während der Schuss sich krachend entlud und in die Decke stäubte.
Ich hatte ihn in einen Jiu-Jitsu-Griff gezwungen. Er stand leicht gebeugt mit dem Rücken halb zu mir gewandt unter meinem linken Hebelgriff.
Selten verwende ich diesen Schlag. Jetzt konnte ich nicht mehr anders. Meine Reserven waren verbraucht, ewig konnte ich ihn nicht im Hebelgriff halten, und er hätte jedes Zeichen von Schwäche ausgenutzt, um mir den Schädel einzuschlagen.
Kalt und genau holte ich aus.
Meine gestreckte Handkante donnerte ihm seitlich ins Genick.
Er stürzte wie eine gefällte Eiche.
Ich torkelte in die Ecke, wo meine Pistole lag. Als ich mich wieder aufrichtete, begann sich das Zimmer vor meinen Augen zu drehen. Etwas Warmes, Klebriges lief mir den Hals hinunter.
Ich taumelte zu dem schaukelnden Bett. Meine Knie gaben ganz von allein nach. In der Türöffnung sah ich verschwommen einen Mann.
»FBI«, stieß ich mit kaum gehorchender Zunge hervor. »Rufen Sie die Stadtpolizei. Sofort…!«
Undeutlich und verschwommen sah ich die Gestalt verschwinden.
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