Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0072 - Ich war kein Fraß für Tiger

0072 - Ich war kein Fraß für Tiger

Titel: 0072 - Ich war kein Fraß für Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich war kein Fraß für Tiger
Vom Netzwerk:
ständig mit dem überraschenden Auftauchen des Chefs zu rechnen sei, dürfe man sicher sein, dass auch in seiner Abwesenheit sauber und fleißig gearbeitet werde. Das sollte natürlich ein Scherz sein, aber die Gebrüder Hail scheinen sich dennoch an diese Erkenntnis zu halten.«
    Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, betrachtete uns noch einmal gründlich über die Ränder ihrer Brille hinweg und fragte dann sehr neugierig: »Warum interessieren Sie sich eigentlich für alle diese Dinge?«
    Nun, irgendwann mussten wir doch unsere Karten auf den Tisch legen. Warum nicht jetzt? Ich schob ihr meinen Dienstausweis hin und murmelte: »FBI.«
    »Oh, Sie sind Federal Officer?«, rief sie überrascht aus.
    »Federal Agents«, verbesserte ich sie.
    »Meine Güte!«, stöhnte sie aufgeregt. »Wer hätte das gedacht! Das FBI in diesem Haus! Das ist unglaublich! Ich bin… ich bin sehr aufgeregt, Gentlemen!«
    Man sah es ihrer kalkweißen Nasenspitze an.
    »Beantworten Sie uns bitte noch einige Fragen«, sagte ich, während ich meinen Ausweis wieder einsteckte. »Wie lange sind Sie schon hier beschäftigt?«
    »Seit neun Jahren.«
    »Und immer schon als Chefsekretärin?«
    »Ja.«
    »Dann darf man annehmen, dass die beiden Chefs Ihnen ein gewisses Vertrauen entgegenbringen?«
    »Sonst säße ich wohl kaum noch hier. Meine Stellung ist eine Vertrauensstellung.«
    »Richtig. Wie lange besteht die Firma?«
    »Meines Wissens wurde sie 1942 gegründet.«
    »Von?«
    »Von den Brüdern Hail.«
    »Die Firma steht finanziell gut da?«
    »Außerordentlich. Die Konkurrenz findet das zwar immer wieder überraschend, weil die Brüder Hail nicht eigentlich Fachleute waren, als sie das Geschäft begannen, aber es ist eine Tatsache, dass wir das zahlungskräftigste Unternehmen in unserer Branche in New York, vielleicht in den ganzen Vereinigten Staaten sind.«
    »Worauf würden Sie diese erfreuliche Tatsache zurückführen, wenn Sie sie zu analysieren hätten?«
    »Auf zwei Umstände«, sagte sie sachlich. »Einmal auf die Tatsache, dass die Brüder Hail keine Fachleute sind. Sie wagen manchmal Geschäfte, vor denen ein alt eingefuchster Mann aus unserer Branche vermutlich zurückschrecken würde wegen des hohen Risikos. Ein hohes Risiko bedeutet aber im Fall des Erfolges gewöhnlich einen hohen Gewinn. Da die Brüder Hail meistens Glück hatten, machten sie ein paar Geschäfte, bei denen Millionen auf dem Spiel standen und schließlich Millionen verdient wurden. Zum Zweiten auf die Tatsache, dass hier die höchsten Gehälter in unserer Branche verdient werden. Auf diese Weise sammelten die beiden Chefs der Firma nach und nach einen Mitarbeiterstab um sich, der als eine Auslese in unserer Branche angesehen werden muss. Wir haben die besten Diamantenschleifer, die besten Goldschmiede, die besten Uhrmacher der Staaten. Wir bringen gelegentlich Sonderanfertigungen von Uhren heraus, die in der ganzen Welt Aufsehen erregen, Gentlemen.«
    »Können Sie sich denken, dass die Brüder Hail Feinde haben?«
    Sie zuckte die Achseln.
    »O ja«, lachte sie trocken. »Allein die ganze Konkurrenz ist mehr oder minder neidisch.«
    »Das meine ich nicht«, sagte ich kopfschüttelnd. »Purer Neid reicht nicht aus zu dem Grad von Feindschaft, den ich meine. Kennen Sie irgendjemand, der einen geradezu tödlichen Hass auf die beiden Brüder haben könnte?«
    »Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll«, sagte sie zögernd. »Tödlicher Hass… das gibt es doch nur im Kino, oder?«
    »Nicht immer nur auf der Leinwand«, widersprach ich. »Wir erleben es in unserem Beruf öfter, dass Hass und Feindschaft im wahrsten Sinne des Wortes tödlich sein können.«
    »So weit dürfte der Neid der Konkurrenz kaum gehen«, sagte sie.
    Ich beugte mich weit vor.
    »Wollen Sie immer noch die Version aufrechterhalten, dass die Brüder Hail verreist wären?«, fragte ich lauernd.
    »Was heißt Version?«, fragte sie halb beleidigt zurück. »Wenn ich Ihnen sage, dass sie verreist sind, dann können Sie das unbesorgt glauben! Ich habe kein Interesse daran, zwei G-men bei offiziellen Fragen zu belügen.«
    »Erzählen Sie uns doch mal, wann und unter welchen Umständen Sie die Brüder Hail zum letzten Mal sahen!«
    »Mr. Stewart Hail am Mittwochvormittag. Er war ein bisschen zerstreut, wohl auch gereizt, aber es lagen keine geschäftlichen Gründe dafür vor. Es musste sich also um etwas Privates handeln. Am Nachmittag kam er nicht mehr ins Office. Am nächsten Morgen

Weitere Kostenlose Bücher