0072 - Ich war kein Fraß für Tiger
lassen«, brummte er. »Ohne Haussuchungsbefehl in einer fremden Wohnung!«
»In diesem Fall würde uns das Gericht noch nachträglich recht geben«, beruhigte ich ihn. »Man muss anerkennen, dass der dringende Verdacht bestand, wichtiges Beweismaterial sollte aus der Wohnung entfernt und vernichtet werden. Warte, ich will mir nur noch meine Dietriche einstecken.«
»Und bring zwei Paar dünne Handschuhe mit, damit wir keine Fingerabdrücke hinterlassen. Auch wenn uns das Gericht nachträglich die Haussuchung genehmigen würde, ist es nicht nötig, dass man uns überhaupt sieht. Was nicht bekannt ist, kann nicht angeklagt werden.«
»Auch meine Meinung«, sagte ich und holte die notwendigen Dinge zusammen. Es War kurz nach ein Uhr nachts, als wir aufbrachen.
***
Wir fuhren beim Districtgebäude vorbei und holten uns die Schlüssel, die man bei den persönlichen Hinterlassenschaften der beiden Brüder gefunden hatte. Vielleicht konnten wir sie brauchen.
Die Park Avenue lag in nächtlicher Stille, als wir mit meinem Jaguar sie langsam entlang fuhren. Es gab in dieser Gegend keine Nachtlokale und also auch keine späten Vergnügungsgäste. Nur noch hinter ganz wenigen Fenstern brannten gedämpfte Lampen. Ein einsames Liebespärchen drückte sich eng in einen Hauseingang und nahm von Gott und der Welt keine Notiz.
Wir fuhren die Straße einmal entlang, wendeten und stellten den Wagen in einer Seitenstraße ab. Dann liefen wir die Straße zurück, gemütlich wie zwei Junggesellen, die einen Samstagabend-Bummel unternommen haben.
Das Haus der Hails stand ziemlich frei. Rechts schloss sich eine niedrige Garagenreihe an, links führte eine Einfahrt in den Hinterhof. Wahrscheinlich wurden dort die Fahrzeuge der Lieferanten ausgeladen.
Die lange Schaufensterfront war nur matt erleuchtet. Trotzdem sah man, wenn man dicht vor den Fenstern stand, die kupfernen Drähte der Alarmanlagen. Eine Haustür als Privateingang gab es auf der ganzen Vorderseite nicht.
»Wahrscheinlich ist der Privateingang hinten«, murmelte Phil. »Vorn wollte man keinen Meter Schaufensterfassade verlieren.«
Wir sahen uns um. Die Straße war menschenleer. Selbst das Liebespärchen in der gegenüberliegenden Haustür war inzwischen verschwunden. Wir konnten es wagen.
»Komm«, raunte ich. »Sehen wir uns mal auf dem Hof um.«
Wir tappten leise in die Einfahrt hinein. An der Hauswand hingen zwar in regelmäßigen Abständen Lampen, aber sie waren nicht eingeschaltet. Der Mond stand hoch am Himmel, aber er war nur noch eine ganz schmale Sichel und spendete nur wenig Licht. Und der Schatten des Nachbarhauses lag über der Toreinfahrt und dem größten Teil des Hofes, sodass alles in eine dichte Finsternis getaucht war.
Die Rückfront des Hauses hatte im Erdgeschoss und in der ersten Etage eine Reihe von vergitterten Fenstern. In einer Höhe von knapp vier Yards begann die senkrechte Feuerleiter.
Unmittelbar neben der Einfahrt war die Haustür. Weiter links gab es eine breite Metalltür, die vermutlich für die Lieferantenwagen beim Ausladen bestimmt war. Phil probierte ein paar Schlüssel.
Einer passte. Fast geräuschlos öffnete sich die Haustür. Wir trugen Handschuhe und konnten also nirgendwo Fingerabdrücke hinterlassen. Im Schulterhalfter führten wir beide unsere Dienstpistolen. Es war eine reine Routinesache, dass man die Pistole bei sich hatte, wenn man sich um einen Fall kümmerte. Dass wir sie vielleicht brauchen würden, nahmen weder Phil noch ich an.
Den Fahrstuhl wollten wir nicht benutzen, um nicht durch sein Geräusch Aufsehen zu erregen. Vielleicht hatte Mrs. Marry ihre Mutter doch nicht aufgesucht und war im Haus geblieben.
Wir tappten leise die Treppe hinauf bis zur vierten Etage. Da jeder der beiden Brüder eine ganze Etage bewohnt hatte und das Haus sehr lang und ziemlich breit war, mussten die einzelnen Wohnungen aus mindestens zwölf Zimmern bestehen. Wenn wir sie alle nach dem Aufbewahrungsort bestimmter Fotos durchsuchen wollten, dann hatten wir ganz schön zu tun.
Ein Schlüssel passte zur Wohnung von Stewart Hail.
Geräuschlos betraten wir den Flur der Wohnung. Er war mit einem dicken Läufer ausgelegt und dämpfte dadurch unsere Schritte bis zur völligen Geräuschlosigkeit, ohne dass wir uns besondere Mühe zu geben brauchten.
»Wo fangen wir an?«, fragte Phil.
»Erst einmal nachsehen, ob die Frau in der Wohnung ist oder nicht!«, schlug ich vor. »Nimm du die rechte Seite, ich bleibe
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