0074 - Das Grauen
verantworten haben", sagte Everson verärgert. „Vermutlich steckt er noch bei Mataal und ist mit dem Eppaner in großangelegte Diskussionen verwickelt."
„Weitermachen!" rief er mit erhobener Stimme. „Scoobey, überprüfen Sie die Robotmaschinen."
Kein menschliches Gehirn hätte diese unglaubliche rechnerische Aufgabe zu lösen vermocht, die von Computern in Sekundenschnelle entwirrt wurde. Everson war sich der Abhängigkeit des Menschen von diesen Maschinen wohl bewußt. Vielleicht würde der Mensch eines Tages in der Lage sein, sich ohne Hilfe zwischen den Sternen zu bewegen. Everson dachte an die Teleporter unter den Mutanten, die einen neuen Weg gezeigt hatten. Hing es nur an mangelndem Verständnis für das gesamte Universum, daß sie in dieser Richtung nicht vorankamen? War technische Raumfahrt nur Stückwerk? Everson vermochte diese Fragen nicht zu beantworten.
Voll konzentrierte er sich auf die vor ihm liegende Aufgabe.
„K-262 bereit zur Transition", rief Scoobey heiser.
Die Männer innerhalb der sechzig Meter durchmessenden Kugel schienen sich auf ihren Plätzen zu ducken. Es war ein immer wieder erregender Moment, dieser Sprung aus dem Universum in den Pararaum, in dem Raum und Zeit nichts zu bedeuten schienen.
„Einhundertachtzig Sekunden bis zur Transition", meldete Fashong.
Everson ließ eine volle Minute verstreichen.
„Maschinen überprüfen, Walt", befahl er dann.
Die geübten Blicke des Ersten Offiziers umfaßten die Kontrollen. Er winkte zu Everson herüber.
„Sechzig Sekunden bis zur Transition", gab Fashong mit asiatischer Gelassenheit bekannt.
„Scoobey?" kam Eversons Frage.
„Klar", lautete die Antwort.
„Fashong und die übrigen?"
Der Colonel wartete die Zustimmung jedes einzelnen ab. Dann gab er seinen letzten Befehl vor dem Sprung: „Abzählen, Fashong!"
Zehn Sekunden später durchbrach die FAUNA das Gefüge von Raum und Zeit, Energien entfesselnd, die genügt hätten, um einen Mond zu pulverisieren. Während einer Zeit, die für keine Macht des Universums meßbar war, glich der Flug des kleinen Raumers dem Gleiten eines gespenstischen Phantoms. Nullzeit und Ewigkeit verstrichen. Bezugspunkte gingen verloren, das Unwirkliche gewann Raum. Moleküle und Atome zersprangen, schwebten davon, dehnten sich und fanden wieder zusammen, gleich einem riesigen Kaleidoskop, das immer neue Bilder für seinen Betrachter bietet. Dann waren sie hindurch.
„Standort überprüfen!" befahl Everson sofort. Gleich darauf hatte er die Bestätigung, daß die erste Transition gelungen war. Die K-262 befand sich genau im vorgeschriebenen Sektor. Nach zwei weiteren Sprüngen würde das Schiff unweit von Sol stehen.
Everson ließ die Teleskopstangen seines Auslegersessels zusammengleiten und schwang sich heraus.
„Übernehmen Sie, Walt", rief er Scoobey zu.
„Denken Sie an Ramirez", erinnerte ihn der kleine Offizier.
Everson nickte. Er hatte die ganze Zeit über an den Mexikaner gedacht. Er entschloß sich, den Jungen nicht über Bordfunk anzurufen. Es war besser, wenn er sich persönlich mit ihm befaßte. Die Begeisterung des Kadetten für Mataal mußte gedämpft werden. Es ging nicht an, daß der Junge darüber seinen Dienst vernachlässigte.
Ohne Eile erreichte der Colonel Mataals Kabine und trat sofort ein. Der Eppaner hatte geschlafen und richtete sich langsam auf.
„Schon wieder Sie?' sagte er ungehalten. „War Ramirez bei Ihnen?"
„Bisher noch nicht", erwiderte Mataal. „Aber da Sie mich jetzt geweckt haben, könnten Sie ihn zu mir schicken. Leider ist es mir untersagt, mich außerhalb dieser vier Wände zu bewegen."
Everson achtete nicht auf die angriffslustigen Bemerkungen. Seine Sorge galt dem Kadetten. Wo war er die ganze Zeit geblieben? Der Colonel hastete den Steg entlang. Energisch pochte er gegen Ramirez Kabinentür. Nichts geschah. Everson verwünschte alle Kadetten und riß die Tür auf. Sein Befehlsschrei blieb ihm im Halse stecken.
Ramirez lag neben dem Bett am Boden. Die Kissen waren zerwühlt, als hätte ein heftiger Kampf stattgefunden. Everson stellte erleichtert aufatmend fest, daß der Junge noch lebte. Die Augen des Mexikaners hatten eine totenähnliche Starre. Er hatte etwas von einem jungen Vogel an sich, der aus seinem Nest gefallen war. Seine Haare standen vom Kopf ab.
„Ramirez", sagte Everson, „was bedeutet das?"
Der Kadett vermochte ihm keine Antwort zu geben. Sein Körper war verkrampft. Everson zwang sich zu ruhiger Überlegung. Zum
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