0074 - Das Grauen
zweiten Mal innerhalb von wenigen Stunden benutzte er das Mikrophon, um Dr. Morton zu rufen.
Die Worte Goldsteins fielen ihm ein: „Ich habe den Tod mit in das Schiff gebracht, Sir."
Hatte er das gemeint? War es eine ansteckende Krankheit, die der Mutant in die Kaulquappe eingeschleppt hatte? Everson schüttelte den Kopf. Der Planet Eppan war sorgfältig analysiert worden, bevor man Landungen vornahm.
Dr. Morton ließ nicht lange auf sich warten. Stumm schob er den Kommandanten zur Seite und beugte sich zu Ramirez hinab.
„Er lebt noch", sagte der Arzt.
Everson nickte bestätigend.
„Was kann es sein, Doc?"
„Er ist vollkommen gelähmt. Ich kenne verschiedene Gifte, die diese Wirkung hervorrufen. Sehen Sie!"
Er bewegte die Hand vor Ramirez Gesicht. Der Gelähmte zeigte keine Reaktion.
„Sie glauben doch nicht, daß er vergiftet wurde?" rief Everson.
„Natürlich nicht. Kommen Sie, Sir, wir wollen ihn auf das Bett legen."
Gemeinsam hoben sie den bewegungslosen Körper auf. Der Arzt atmete schwer. Er setzte seine Untersuchung fort.
„Glauben Sie nicht, daß er einen Schock erlitten hat?" erkundigte sich der Colonel. „Oder denken Sie an eine unbekannte Krankheit?"
Dr. Morton fingerte an seinem Bart herum. Seine Augen hatten jede Fröhlichkeit verloren.
„Es könnte verschiedene Gründe haben", meinte er. „Es wird besser sein, wenn wir diese Kabine unter Quarantäne stellen. Erlauben Sie mir, daß ich den Eppaner gründlich untersuche. Ramirez hielt sich öfters bei ihm auf."
„Tun Sie, was Sie für richtig halten. Inzwischen werde ich die Mannschaft zusammenrufen", erklärte Everson. Er ließ den Arzt mit Ramirez allein. Kurz darauf war seine Stimme im ganzen Schiff zu vernehmen.
„Alle Männer, eingeschlossen die dienstfreien, versammeln sich in der Zentrale. Ich erwarte Sie in drei Minuten."
Scoobey trat neben ihn. Die Nähe des Ersten Offiziers nahm Everson etwas von seiner Bedrückung.
Scoobeys Tatendrang und Beweglichkeit verbreitete in allen Situationen einen gewissen Optimismus.
„Was ist mit Ramirez?" fragte Scoobey ahnungsvoll.
„Er ist vollkommen gelähmt. Mataal behauptet, daß der Kadett nicht bei ihm war."
Fashong, der Chinese, erschien auf der Bühne des Kommandostands und reihte sich abwartend unter die bereits anwesenden Männer. Everson wartete, bis alle versammelt waren. Der Arzt kam als letzter.
Unter den korrekt gekleideten Uniformierten fiel sein salopper, unordentlich wirkender Anzug besonders auf.
Everson sah, wie sich erwartungsvolle Blicke auf ihn hefteten.
„Ich setze voraus, daß sich jeder einzelne über unsere Erlebnisse auf Eppan informiert hat", begann der Colonel ruhig. „Jeder von Ihnen weiß, in welchem Zustand sich Goldstein befindet. Dr. Morton kann Ihnen Einzelheiten berichten. Wir waren gezwungen, einen eppanischen Eingeborenen mit in die Kaulquappe zu bringen, den ich aus psychologischen Überlegungen heraus noch nicht allgemein vorstellen konnte. Ich bitte Sie, zu bedenken, welchen neuen Eindrücken dieser Mann ausgesetzt ist. Eine zu rasche Gegenüberstellung mit unserer Zivilisation würde ihn schwer schädigen. Deshalb meine Vorsicht, die meines Wissens bei verschiedenen Leuten als Geheimniskrämerei ausgelegt wird."
Er unterbrach sich, um das auflebende Gemurmel abklingen zu lassen.
„Ich möchte Sie nun davon unterrichten, daß unser Techniker Finney vor wenigen Stunden einen Traum hatte, in dessen Verlauf jemand in seine Kajüte trat. Das ist nichts Ungewöhnliches. Seltsam ist nur, daß ich fast zur gleichen Zeit einen ähnlichen Traum hatte."
Finney schaute verlegen zu Boden. Everson unterbrach die Diskussionen.
„Ruhe!" sagte er, „das ist noch nicht alles. Soeben fand ich Kadett Ramirez. Er ist vollkommen gelähmt."
Everson hatte nicht erwartet, daß diese Nachricht einen Tumult auslösen würde. Statt dessen wurde es vollkommen still. Die Astronauten blickten ihn an, als würde er ihnen gleichzeitig die Lösung des Rätsels anbieten.
„Wir müssen Ramirez unter Quarantäne stellen", erklärte Dr. Morton. „Außer mir darf niemand zu ihm, es sei denn mit meiner ausdrücklichen Genehmigung. Ich bitte Sie alle, auf sich zu achten. Jedes Anzeichen einer beginnenden Krankheit muß sofort gemeldet werden."
„Ich wette, das hat etwas mit dem Fremden zu tun", sagte Zimmermann.
Ein drohender Unterton schwang in seiner Stimme mit, der Everson warnte. Zimmermann war ein kräftiger, verschlossener Mann mit einem kantigen
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