0077 - Das Phantom der Insel
aufnehmen und ihn jagen. Ihm keine Ruhe mehr lassen.
Er nahm sich vor, ihn über Hügel und durch Wälder und Täler zu verfolgen. Er hatte genug Schreckliches sehen müssen, das auf Sardos Konto ging.
Er würde ihn durch die Flüsse jagen und über die Felsenhänge. Er würde ihn in seiner Höhle verfolgen. Er würde mit sich ringen, sich mit ihm messen, gleichgültig, welche Kampfesart der Dämon wählen würde.
Und plötzlich wußte er, daß er Lo Sardo ganz nahe war. Nicht etwa zum Greifen nahe, aber der Inselgeist mußte sich in der näheren Umgebung aufhalten.
Noch einmal klopfte der Professor an die Tür. Wieder keine Antwort.
Und wieder spürte er voll Erregung, daß ganz in der Nähe der sein mußte, den er mit Verbissenheit jagte.
Er griff nach seinem Amulett, das auf seiner Brust zu glühen schien.
Da kam ihm ein älterer Mann zu Hilfe.
Er schlurfte von der anderen Straßenseite heran.
»Wen sucht ihr?«
»Erstens einen Griechen namens Melaos«, gab Zamorra Auskunft.
»Das klingt, als ob ihr noch einen anderen sucht«, sagte der Mann.
»Ich suche den, der hinter Melaos her ist«, war Zamorras knappe Antwort.
Der Alte runzelte die Stirn.
»Ihr seid kein Grieche«, sagte er argwöhnisch.
»Ich komme von dem jungen Georghiu, wenn euch der Name etwas sagt.«
Das Gesicht des Mannes hellte sich auf.
»Dann seid ihr ein guter Mann, einer, der Melaos nicht schaden will.«
»Ich nehme an, daß er geflüchtet ist«, sagte Zamorra.
»Ja. Seit er diese Zeichen über seiner Tür sah.«
»Ich weiß«, sagte Zamorra. »Das Zeichen für die Griechen, die sterben sollen. Und das Zeichen Lo Sardos.«
»Ihr wißt Bescheid«, sagte der Alte.
»Ich muß mehr wissen. Wohin ist Melaos geflüchtet?«
»Sie haben ein kleines Feld, vor dem Dorf draußen. Hier die Straße entlang, und vor dem letzten Haus links den Berg hinauf. Ein kleiner Teich ist dort. Dort angelt er manchmal, der Nachbar. Dort wird er sein, mit seiner Frau.«
»Er hat seine Frau bei sich?« fragte Zamorra schnell.
»Sie bleibt in der Höhle hinterm Teich, solange er beim Angeln ist. Dort ist sie geschützt.«
»Danke«, sagte Zamorra. Dann setzte er zu einem Lauf an, wie er ihn selten in seinem Leben hinter sich gebracht hatte.
Es hatte keinen Zweck, die Auffahrt zum Hang mit dem Wagen zu versuchen.
Er mußte das Versteck zu Fuß finden.
Er raste dahin wie ein Taifun und achtete nicht auf die erschreckten Gesichter der Menschen, die unterwegs waren.
Da war das letzte Haus. Da war der Weg in die Hügel.
Zamorra lief, als sei er ein Motor auf Hochtouren. Pausenlos und im gleichen Tempo. Er wurde nicht einmal langsamer, als er den schmalen Weg zum Hügel hinauf nahm.
Seine Lungen gaben alles her. Und dann sah er den See. Einen kleinen See. Herrlich gelegen. Mit kristallklarem Wasser. Zwei kleine Bäche fanden ihren Weg in den See. Hier mußte es Forellen geben, dachte Zamorra.
Aber die Ruhe und der Frieden der Landschaft waren trügerisch.
Zamorra hatte sich nur zwei Sekunden lang seiner Begeisterung über diese Schönheit hingeben können.
Dann hörte er den Schrei.
Er kam vom anderen Ufer her. Und es war der Schrei einer Frau.
***
Wieder spurtete Zamorra los.
Noch war es nicht dunkel geworden. Eine frühe Stunde für Lo Sardos Auftritt, dachte Zamorra bitter.
Dann lief er um die rechte Hälfte des Sees. Im Halbdunkel vor dem Waldrand sah er zwei ringende Gestalten.
Wie ein Pfeil schoß er heran. Er sah, wie ein kräftiger Mann eine Frau auf den Boden zu zwingen versuchte.
Lo Sardo?
Es sah nicht danach aus. Der Mann trug die typische Kleidung der Sarden. Aber Zamorra konnte ihn bis jetzt nur von hinten sehen.
Der Fremde hörte ihn nicht kommen. Er war zu sehr mit der Frau beschäftigt.
Unaufhaltsam schrie diese Frau jetzt. Der Fremde würgte sie, riß sie zu Boden, wälzte sie zur Seite und versetzte ihr einen höllischen Schlag zwischen die Rippen. Mit starken Fäusten hielt er die Arme der Frau gepackt. Mit dem Gewicht seines Körpers hielt er den Leib der Frau auf den Boden gepreßt.
Zamorra sah, daß der Fremde nur seine Fäuste gebrauchte. Der Frau konnte unmittelbar nichts Ernsthaftes geschehen.
Deshalb wagte es Zamorra, die letzten Meter langsam heranzupirschen. Ganz lautlos kam er näher. Da hörte er die Stimme des Fremden.
»Ich frage noch einmal, Terinda Melaos. Wo ist dein Mann?«
Die Frau wimmerte und schrie durcheinander. Aber sie gab keine Antwort.
»Wo dein Mann ist, will ich wissen?« fauchte der
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