0077 - Der Mörder aus dem Nichts
Hände.
Lesly bemerkte den Blick.
»Willst du andeuten, daß ich einen solchen Unsinn veranstaltet haben könnte?« brauste er auf.
»Bist du nicht vor zwei Jahren beim Maskenball des College als Tod aufgetreten?« fragte Fenner lächelnd zurück.
Ruggin hob seine Hände.
»Habe ich Leuchtfarbe daran?« schrie er.
»Man kann sie mit Azeton abwaschen«, sagte Fenner.
Anthony schob sich zwischen die beiden jungen Männer, und er tat es keinen Augenblick zu früh, denn Ruggin machte Miene, sich auf den ehemaligen Freund zu stürzen.
»Meine Herren, gehen Sie auf Ihre Zimmer, und setzten Sie dort Ihr flegelhaftes Benehmen fort!« befahl Ellen Creigh, aber sie sagte es lächelnd, denn es freute sie immer, wenn andere sich stritten.
Ruggin drehte sich scharf auf dem Absatz um und verließ den Raum. Fenner folgte, nachdem er allen gelassen eine gute Nacht gewünscht hatte.
»Möchtest du auf der Couch in meinem Ankleidezimmer schlafen, Virginia?« fragte die Tante zuckersüß.
Das Mädchen nahm sich zusammen.
»Danke, nicht nötig, Tante Ellen. Entschuldigt bitte, wenn ich euch gestört habe. — Mammy, willst du so freundlich sein, Bobo in die Küche zu bringen? Ich möchte nicht, daß er heute nacht im Garten bleiben muß.«
»Ich hätte ihn ohnedies nicht mehr hinausgelassen, Darling«, antwortete die Negerin. »Komm mit, alter Junge!«
Sie ging mit dem Hund hinunter. Der Diener Anthony zog sich mit einer Verbeugung zurück, die niemand beachtete.
Ellen Creigh zögerte noch. Sie fühlte eine dunkle Verpflichtung, das Mädchen zu trösten, aber da Virginia ihr den Rücken zudrehte, zuckte sie mit den Achseln und ging in ihr Zimmer.
Virginia wanderte im Zimmer auf und ab. Als sie an dem noch offenen Fenster vorbeikam, schauderte sie und schloß rasch die Flügel, ohne einen Blick in den Garten zu werfen. Sie hatte das Gefühl, als stünde dort unten etwas, das ständig zu ihr emporstarre.
***
Nach einer schlaflosen Nacht sagte Virginia unmittelbar nach dem Frühstück zu Charles Fenner: »Entschuldige, Charly, aber ich möchte Lesly für ein paar Minuten allein sprechen.«
Sie ging mit dem jungen Mann in den Garten hinaus.
»Ich habe nicht geträumt heute nacht, Lesly. Und es war dein Pfiff!«
»Virgie, ich war es nicht. Ich schwöre dir bei allem, was du willst, daß ich nichts damit zu tun habe.«
»Und der Pfiff?«
»Jeder kann ihn nachmachen, der ihn kennt! Warum, um Himmels willen, sollte ich so etwas tun?«
»Ich weiß es nicht, aber ich bin ganz sicher, daß ich mich nicht getäuscht habe.«
»Du hast Gespenster gesehen, Virgie«, sagte er vorsichtig. »Wenn wirklich irgend jemand Bobo geschlagen haben sollte, dann müßtest du doch auch seine Gestalt, nicht nur seine Hand gesehen haben.«
»Es war dunkel. Ich glaube, mait konnte niemanden erkennen, der dunkel gekleidet war und sich das Gesicht geschwärzt hatte.«
»Virgie, welcher Sinn sollte in solchen Albernheiten liegen?«
Sie sah ihn aufmerksam von der Seite an.
»Du hältst mich auch schon für hysterisch, genau wie Tante Ellen.«
»Nichts liegt mir ferner, Virgie, aber hast du eine Erklärung für das, was du gesehen haben willst?«
»Ich suche keine Erklärung. Ich will nur Gewißheit haben, daß du es nicht warst!«
Er bemühte sich auf jede Weise, sie von seiner Unschuld zu überzeugen. Schließlich gelang es ihm. Als sie zur Terrasse zurückkamen, las Charles Fenner in einem Buch und blickte nicht auf.
Es geschah nichts an diesem Tag und nichts in der nächsten Nacht, aber am frühen Morgen erschütterte das Geschrei von Mammy Do das Haus.
Alle stürzten aus ihren Zimmern, rannten hinunter in das Erdgeschoß, wo die Negerin an der offenen Tür zur Küche lehnte, die Hände gegen den Kopf gepreßt hielt und ununterbrochen kreischte.
Virginia sah an der Frau vorbei in die Küche hinein, stieß einen schwachen Schrei aus und fiel ohnmächtig zu Boden.
Sie hatte den ausgestreckten Körper des Neufundländers gesehen, der in einer mächtigen Blutlache auf den Fliesen der Küche lag.
***
Als Virginia wieder zu sich kam, lag sie auf der Couch des Wohnzimmers. Ellen Creigh saß neben ihr und hielt ihre Hand. Sobald das Mädchen die Augen aufschlug, reichte sie ihm ein Glas mit einer farblosen Flüssigkeit.
»Trink das, Virginia. Es beruhigt!«
Das Mädchen schluckte gehorsam von der Medizin.
»Das war doch Bobo?« fragte sie schwach. »Oder bin ich wieder einer Sinnestäuschung erlegen?«
Ellen Creigh streichelte ihr die
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