0077 - Der Mörder aus dem Nichts
veränderte.
Er richtete sich auf, streckte den Kopf vor und begann heftig mit dem Schwanz zu wedeln.
Lesly Ruggin, der mit seinen Augen Virginias Blicken gefolgt war, sah das merkwürdige Benehmen des Hundes, der jetzt auch noch freudig zu fiepen begann.
»Bobo hat einen Anfall von unmotiviertem Frohsinn«, sagte er laut, und nun sahen alle zum Hund hin, der sich bewegte, als hüpfe er um irgend jemanden herum und freue sich.
»Er wird immer kindischer«, bemerkte die Tante giftig. »Wir sollten ihn abschaffen und uns endlich einen richtigen, scharfen Hund besorgen, der uns die Fremden vom Leib hält, anstatt sie mit Schwanzwedeln zu begrüßen.« Sie blickte die beiden Studenten an, damit ja keine Unklarheit darüber bestand, wen sie meinte.
Aber jetzt empörte sich Virginia: »Vater wird nie zugeben, daß Bobo abgeschafft wird«, sagte sie scharf. »Er war als ganz kleiner Hund das letzte Geschenk, das Vater meiner Mutter mitbrachte.«
»Ich weiß, ich weiß«, antwortete Ellen Creigh mit einem Schulterzucken. »Ich kenne diese sentimentalen Geschichten.«
Der Neufundländer verließ jetzt die Terrasse schwanzwedelnd, als begleite er jemanden in den Garten hinaus. Die Dunkelheit, die sich zwischen den Bäumen des Parks- schon ausbreitete, entzog seine Gestalt rasch den Blicken der Gesellschaft.
»Da der Köter sich anderen Interessen zugewandt hat, können wir vielleicht unsere Mahlzeit beenden«, sagte die Tante spitz, da alle noch hinaussahen und sich bemühten, den Hund im Dunkel zu erspähen.
Die Studenten beugten gehorsam den Kopf über ihre Teller. Virginia biß die Zähne zusammen.
Eine halbe Minute später durchschnitt ein jämmerliches Jaulen so schneidend die Stille, daß Virginia und die Studenten aufsprangen, der Diener erschreckt eine Platte absetzte und selbst Ellen Creigh die Gabel sinken ließ.
Im nächsten Augenblick lief Virginia auf die Terrasse hinaus. Die jungen Männer folgten ihr.
Bobo erschien jaulend mit einem Satz auf der Terrasse, drückte sich aufgeregt an die Knie des Mädchens. Virginia faßte seinen Kopf, griff in sein Fell und beruhigte ihn.
»Was ist denn, Bobo? Was ist passiert, alter Junge? Hast du dich erschreckt?«
Mammy Do, die Negerin, erschien aus der Küche, drängte Virginia kurzerhand zur Seite, griff nach dem Hund und schimpfte: »Wer hat dich geschlagen, mein Guter?«
»Niemand, Mammy. Er war im Garten und kam plötzlich jaulend angerannt.«
»Aber er ist geschlagen worden. Sieh doch, Baby, wie er seine Nase leckt.«
»Ich glaube es auch«, sagte Ruggin, der sich den Hund genau ansah. »Er blutet ein wenig aus der Nase, und sein linkes Auge tränt!«
»Aber es ist niemand im Garten!« rief Virginia.
»Sehen wir nach!« schlug Fenner vor. Die Studenten verließen die Terrasse und gingen in den dunklen Park.
Ellen Creigh schob mit einer heftigen Bewegung ihren Stuhl zurück und stand auf.
»Euer Benehmen ist einfach unmöglich«, schrie sie und rauschte aus dem Zimmer.
Fenner und Ruggin kamen aus dem Garten zurück.
»Kein Mensch zu finden«, sagte Ruggin. »Vielleicht hat sich Bobo an irgend etwas die Nase geratscht, oder er hat auf seine alten Tage noch versucht, ein Wiesel zu fangen, und das ist ihm schlecht bekommen. — Nimm’s nicht tragisch, Virgie.«
Mammy Do nahm den Hund mit in die Küche, um ihn mit einem Leckerbissen zu trösten.
»Was machen wir?« fragte Fenner.
Virginia teilte mit, daß sie von einer Nachbarin zu einer Party eingeladen waren.
Die kleine Gesellschaft aus lauter jungen Leuten dauerte bis ungefähr Mitternacht. Es entwickelte sich eine prächtige Stimmung. Virginia vergaß die Ereignisse des Abends.
Den Heimweg hätte sie gern mit Lesly allein gemacht, aber Fenner wich nicht von ihrer Seite. Er war schweigsam und ein wenig mürrisch. Er hatte genau gesehen, was sich zwischen seinem Freund und dem Mädchen anbahnte.
Virginia schlief ein, sobald sie in ihrem Bett lag. Sie schlief fest, bis ein leises Geräusch sie weckte. Sie setzte sich in ihrem Bett auf, knipste die Nachttischlampe an und lauschte.
Wieder hörte sie das Geräusch, nicht mehr als ein ganz leiser Fall von irgend etwas auf dem Teppich ihres Zimmers.
Ihr Herz klopfte. Dann sah sie, wie ein kleiner Stein durch das offene Fenster ihres Zimmers geflogen kam und auf dem Teppich aufschlug.
Sie dachte sofort an Lesly, huschte gleich aus dem Bett, warf einen Morgenrock über und lief auf den kleinen Ealkon vor dem Fenster ihres Schlafzimmers.
Das Zimmer
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