0077 - Der Mörder aus dem Nichts
lag zum Park hinaus, in der ersten Etage. Der Lichtschein aus dem Fenster beleuchtete matt und verschwommen einige Sträucher und einen Streifen des Rasens. Der Rest des Parks lag in tiefer Dunkelheit.
Innerhalb des matten Lichtes bewegte sich ein schwerer Schatten — Bobo, der während des Sommers immer die Nächte im Garten verbrachte. Virginia rief ihn leise an. Der Hund hob den Kopf und spitzte die Ohren.
Jetzt ertönte ein sehr leiser Pfiff, die drei Töne, die Lesly zu pfeifen pflegte, aber das Mädchen konnte seine Gestalt nicht entdecken.
Sie wagte einen leisen Anruf.
»Lesly! Bist du das?«
Als Antwort ertönte nur wieder der zarte Pfiff.
Im nächsten Augenblick jaulte der Hund jammernd auf, krümmte sich auf der Erde und zog den Kopf zwischen den Vorderpfoten ein.
Virginia sah das alles nur undeutlich und schattenhaft. Dann sah sie deutlicher einen grünen phosphoreszierenden Fleck am Hals des Hundes, ungefähr dort, wo sein Halsband sein mußte, sah schärfer hin und schrie im nächsten Augenblick gellend auf. Bobo jaulte wilder und zerrte wie an einer Kette. Dann warf er sich herum und schoß in langen Sätzen in die Dunkelheit hinaus. Gleichzeitig verschwand der grünliche Fleck.
Virginia schrie, schrie, schrie! Und in ihr Schreien hinein ertönte wie zum Hohn der melodische Pfiff.
Die Tür ihres Zimmers wurde aufgerissen. Die Tante erschien mit Lockenwicklern in den Haaren und einem hastig übergestreiften Morgenrock.
»Wo ist dieser Verbrecher?« schrie sie.
Das Mädchen ließ sich erschöpft in einen Sessel fallen. Es zitterte an allen Gliedern und bedeckte sein Gesicht mit den Händen.
»Wer von beiden war es?« fragte Ellen Creigh, kreischend vor Wut. »Oder waren es am Ende beide gemeinsam? Es wäre ihnen zuzutrauen.«
»Was meinst du nur?« stammelte Virginia schwach.
»Ich wette, daß mindestens einer dieser Kerle in dein Zimmer eingedrungen ist.«
»Nein, es handelt sich um Bobo und…« Sie konnte nicht weitersprechen.
Fenner und Ruggin erschienen in Schlafanzügen. Fast gleichzeitig kam Anthony, der Diener, im Nachthemd und hastig angezogener Hose.
»Lesly, warst du es?« jammerte Virginia, als sie Ruggin erblickte. »Warum tust du solche Abscheulichkeiten?«
»Um Himmels willen, wovon redest du?« fragte der junge Mann verstört. »Ich hörte Bobo jaulen und dann deine Schreie.«
»Du warst es! Du warst es!« beharrte Virginia weinend. »Du hast Steine geworfen, damit ich wach werde. Du hast gepfiffen, damit ich wußte, daß du es warst, und dann hast du den Hund geschlagen. Und welchen Trick hast du angewandt, um diese widerliche Sache mit der Hand zu machen?«
»Ich weiß nicht, wovon du redest!« schrie Ruggin. »Ich habe geschlafen. Hörst du nicht?«
Fenner sprach kein Wort, sondern sah Ruggin nur von der Seite an.
Mammy Do erschien. Sie allein hatte daran gedacht, sich um den Hund zu kümmern, und jetzt brachte sie ihn mit.
Während Virginia haltlos weiter weinte, untersuchte Anthony den Neufundländer.
»Er ist nicht verletzt«, meldete er.
Ellen Creigh ging auf ihre Nichte zu, schüttelte sie derb an der Schulter und herrschte sie an: »Reiß dich zusammen!«
In diesem Fall war der Ton richtig. Das Mädchen unterdrückte nun sein Schluchzen. Sie erzählte den Hergang in allen Einzelheiten. Niemand konnte sich einen Reim darauf machen.
»Und was war das für ein grünlicher Fleck an Bobos Halsband?« fragte Ruggin. »Hast du nicht erkannt, was es war?«
Virginia konnte nur nicken. Sie mußte zweimal ansetzen, bevor sie die Frage beantworten konnte.
»Es war eine Hand«, sagte sie, »aber keine normale Hand, sondern Knochenfinger wie die eines Toten. Sie hielten den Hund am Halsband fest und…«
Betretenes Schweigen herrschte im Zimmer.
Schließlich sagte Ellen Creigh mit einem Achselzucken: »Meine Nichte ist übergeschnappt!«
Es empörte das Mädchen, daß man ihr nicht glaubte. Sie vergaß für einen Augenblick den ausgestandenen Schrecken.
»Ich habe es genau gesehen«, beharrte sie.
»Ich glaube es dir ja«, antwortete die Tante ironisch. »Möchtest du nicht etwas Baldrian, Liebling?«
Erstaunlicherweise kam Charles Fenner Virginia zu Hilfe.
»Ich glaube nicht, daß Virgie sich geirrt hat«, sagte er langam. »Es ist nicht sehr schwer, eine Hand so herzurichten, daß sie aussieht wie die eines Toten, besonders nicht in der Dunkelheit. Etwas Leuchtfarbe und etwas schwarze Farbe genügen.«
Er blickte bei diesen Worten ostentativ auf Ruggins
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