0079 - Der Tyrann von Venedig
Papierkorb verschwindet, hat er ihn in Englisch geschrieben.«
Jane nickte. »Eine recht gute Erklärung. Vielleicht erfahren wir nie, ob sie stimmt.«
Ich biß die Zähne zusammen. Ich hatte zwar verhindert, daß der Schwarze Doge den Jungen vor meinen Augen tötete, aber Antonio Gianelli war bisher nicht aufgetaucht. Seine Flucht war vermutlich gescheitert.
Wir gingen zum Dogenpalast zu Fuß. Tarrant löste für alle die Eintrittskarten. Ich blieb neben der Kasse stehen und sah mir unsere Mitreisenden an. Jeden einzelnen von ihnen.
In der letzten Nacht war niemand aus unserer Gruppe verschwunden. Vielleicht verzichtete der Schwarze Doge darauf, noch mehr Menschen zu entführen, weil wir in der Stadt waren. Ich hatte ihm schließlich ganz schön in seinem Palast eingeheizt. Trotzdem wollte ich wachsam bleiben.
Die Besichtigungstour begann. Wir bekamen einen Führer, der angeblich Englisch sprach. Ich verstand kaum ein Wort, und Jane hatte Mühe, lautes Lachen zu unterdrücken. Suko und Shao merkten nichts davon, da sie einander schon wieder verliebt musterten und zwischendurch nur beiläufig den Palast betrachteten.
Ich sah allerdings auch nicht viel von den Kunstschätzen und den historischen Räumlichkeiten, da ich die anderen Reisenden ununterbrochen beobachtete. Ich hatte das unangenehme Gefühl, daß nicht alles so glatt ablaufen würde, wie es im Moment aussah.
Wir näherten uns dem großen Versammlungssaal, in dem die Bilder der Dogen die Decke schmückten. Jane tippte mir auf den Arm. Sie deutete mit einem Kopfnicken auf ein junges Paar aus unserer Gruppe.
Die Frau hatte sich bei ihrem Mann eingehängt und wirkte ängstlich, obwohl es keinen erkennbaren Grund gab. Auf der Stirn des jungen Mannes standen Schweißtropfen.
»Wer ist das?« fragte ich leise.
»Das Ehepaar Califfo«, flüsterte Jane. »Ich habe mich im Flugzeug kurz mit den beiden unterhalten. Ihre Vorfahren stammen aus Venedig. Sie selbst leben in London. Sie wollten die Stadt ihrer Ahnen kennenlernen.«
»Haben sie sich schon immer so merkwürdig benommen? Mir ist nichts aufgefallen.«
»Nein, John, da stimmt etwas nicht.«
Ich verständigte Suko. Er versprach, die beiden nicht mehr aus den Augen zu lassen.
Unser Führer kündigte eine große Sehenswürdigkeit an, den großen Saal mit den Porträts der Dogen.
Wir passierten die letzte Tür und standen in dem Saal. Außer uns waren mehrere Reisegruppen anwesend. Außerdem gingen zahlreiche einzelne Besucher in dem riesigen Raum herum. Sie alle verloren sich jedoch in der Weite, da es keine Einrichtung gab.
Mein erster Blick galt der Decke und den Dogenporträts. Ich brauchte nur wenige Sekunden, um das übermalte Bild des Verräters zu finden. Ich hatte es noch deutlich in Erinnerung. Es war immer nur ein schwarzer Fleck gewesen.
Der schwarze Fleck existierte auch jetzt, doch zwei weiße Augen leuchteten darin dämonisch auf uns herunter. Augen ohne Pupillen!
Es war ein Abbild des Schwarzen Dogen!
»Stehenbleiben!« schrie Suko.
Ich wirbelte herum. Mr. und Mrs. Califfo hetzten quer durch den Saal, als wäre der Satan hinter ihnen her. Suko verfolgte sie, aber in diesem Moment lief ihm ein kleines Mädchen in den Weg.
Mein Freund wich aus, verlor wertvolle Zeit, und dann passierte es. Ich rannte bereits los und schrie eine Warnung, aber die Mutter des kleinen Mädchens mißverstand Sukos Eile. Sie glaubte wahrscheinlich, ihr Kind wäre in Gefahr, und warf sich Suko schreiend entgegen.
Mein Freund konnte nicht mehr ausweichen. Die beiden prallten hart zusammen und stürzten.
Und Mr. und Mrs. Califfo ergriffen die Flucht!
***
Ich schnellte mich über Suko und die Frau hinweg, glitt auf dem glatten Parkett aus und wäre um ein Haar gestürzt. Zwei Männer vertraten mir den Weg. Wahrscheinlich hielten sie mich für einen Dieb oder etwas Ähnliches.
Sie konnten mich nicht aufhalten. Ich stieß sie zur Seite und erreichte den Ausgang aus dem Saal. Dabei war mir, als würde mich höhnisches Gelächter verfolgen. Ich war mir meiner Sache nicht sicher, und es änderte auch nichts daran, daß ich diese beiden jungen Leute aufhalten mußte. Sie waren dem Schwarzen Dogen in eine heimtückische Falle gegangen!
Ich sah sie weit vor mir. Sie erreichten soeben die oberste Stufe einer langen, über drei Stockwerke in die Tiefe führende Treppe. Mit weiten Sprüngen hetzte ich auf die Treppe zu.
Keine Ahnung, wohin die beiden wollten! Auf jeden Fall hatten sie es eilig.
Als ich die
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