0079 - Der Tyrann von Venedig
an!«
Während sich mein Freund nach links wandte, lief ich zwischen den haushohen Fahnenstangen hindurch und an den Tischen und Stühlen der Straßencafes vorbei. Die Leute, die gerade Kaffee oder Limonade schlürften, sahen mich überrascht und neugierig an. Im Hintergrund des Platzes wurden zwei Polizisten auf mich aufmerksam.
Ich wollte mich nicht mit langen Erklärungen aufhalten. Darum wich ich nach rechts aus, näherte mich der Signoria, dem Glockenturm, auf dessen Spitze zwei eiserne oder bronzene Männer zur vollen Stunde mit Hämmern gegen eine freihängende Glocke schlagen. Unter dem Torbogen sah ich für Momente zwei bekannte Gesichter.
Das Ehepaar Califfo! Der Zufall half mir!
Ich drängte mich rücksichtslos zwischen den Passanten hindurch. Es war schon unter normalen Umständen schwierig, schnell von der Stelle zu kommen. Jetzt war es besonders schwer, weil mir gerade eine Reisegruppe entgegenkam.
Im Zickzack lief ich zwischen den Leuten durch und stieß mit ein paar Personen zusammen, aber ich kam dem Ehepaar nicht näher. Die beiden bogen vom Hauptweg ab.
Hier waren weniger Menschen unterwegs. Dafür verlief der Weg in engen Biegungen, über Hinterhöfe, durch lange Passagen.
Ich hätte sie trotz aller Schwierigkeiten eingeholt, wären nicht plötzlich vor mir drei Gondolieri aufgetaucht, Gondolieri mit leeren, glühenden Augenhöhlen und langen schwarzen Rudern in den Händen.
Rudern, wie man sie auf Gondeln verwendete. Diese hier allerdings strömten die Hitze der Hölle aus. Ein einziger Schlag mußte tödlich sein!
In einer geschlossenen Reihe gingen sie auf mich los!
***
Jane Collins merkte sofort, daß sie keine Chance hatte, das fliehende Ehepaar Califfo einzuholen. Daher machte sie sich gar nicht erst an die Verfolgung, sondern lief an eines der Fenster des großen Saals und beugte sich weit hinaus.
Sie beobachtete Mrs. Califfos Gefangennahme durch einen Wächter des Dogenpalastes, entdeckte das Skelett in Pagenuniform auf dem Dach und warnte mich durch einen lauten Schrei. Erleichterung durchflutete sie, als sie merkte, daß das Attentat nicht glückte und das Skelett an einer Silberkugel starb. Sie bekam noch mit, daß sowohl die Califfos, als auch Suko und ich den Dogenpalast verließen. Damit war dieser Teil des Abenteuers für sie gelaufen.
Sie drehte sich um und warf einen Blick zu dem schwarz übermalten Dogenbild hinauf. Jetzt erschien es wieder völlig normal. Die gräßlichen hypnotisierenden Augen von vorhin waren verschwunden.
»Um alles in der Welt, was ist denn jetzt wieder passiert?« Joe Tarrant tauchte vor Jane auf. Seine blauen Augen verschlangen sie mit Blicken, die verrieten, daß ihm völlig gleichgültig war, was wirklich geschehen war. Ihn interessierte nur eines.
Jane Collins!
Die Privatdetektivin merkte es und zeigte ihm ein abweisendes Gesicht. »Sie sind doch der Reiseleiter, Mr. Tarrant, oder nicht? Wieso sind Sie nicht informiert?«
Er blickte sie verdutzt an, dann lachte er schallend auf. »Schlagfertig sind Sie auch noch, Miß Collins! Einfach toll! Ich liebe Frauen, die nicht nur Busen sondern auch Hirn haben.«
»Und ich liebe Männer, die nicht nur wie aus einem Modejournal gekrochen aussehen, sondern ebenfalls Hirn haben.« Sie trat mit einem zauberhaften Lächeln auf den energiegeladenen jungen Mann zu und tippte ihm gegen die sonnengebräunte Stirn. »Und unter Ihren sorgfältig gelegten schwarzen Locken scheinen Sie von Hirn recht wenig mitbekommen zu haben!«
Damit ließ sie Tarrant stehen und wandte sich dem Ausgang zu. Der große Ratssaal war der letzte Programmpunkt der Besichtigung gewesen. Während sich die Reisenden ihrer Gruppe um den italienischen Führer schürten, ging Jane schon voraus.
Nach den letzten Vorfällen hatte es wohl wenig Sinn, noch weiter die Tarnung als harmlose Touristen aufrecht zu erhalten. Viel besser war es, sie bekannten Farbe und durchkämmten die ganze Stadt. Irgendwo mußte es doch Anhaltspunkte geben, wo sich der Schwarze Doge verkrochen hatte!
Jane wollte gleich hier und jetzt beginnen. Das übermalte Bild des verräterischen Dogen hatte als Falle gewirkt, in der sich das Ehepaar Califfo gefangen hatte. Gleichzeitig hatte der Schwarze Doge ein Skelett in den Palast geschickt, das Eingreifen sollte, falls etwas schiefging.
Vielleicht befanden sich noch weitere Helfer des Dämons im Dogenpalast. Vielleicht hatte er sogar hier sein neues Versteck eingerichtet. Bei diesem Gedanken durchfuhr es Jane
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