008 - Der schlafende König
des schlafenden Königs lagernden Schätze auszuliefern, geschieht aus purem Neid. Das Dokument des sogenannten »Finanzamts« kann demnach nur eine arglistige Erfindung sein, um uns aus unserer Machtposition zu verdrängen.
Inzwischen gehen die Grauen Eminenzen immer öfter dazu über, unsere Brüder mit Hilfe kriegerischer Kräfte aus Fraace zu dezimieren. Ich gehe davon aus, dass sie uns am Ende ausrotten wollen. Seit geraumer Zeit sind blutige Überfälle auf unsere Patrouillen und Handelsreisenden an der Tagesordnung…
***
Als Vaders Röchelstimme endete, schwirrte Matt der Kopf.
Es fiel ihm zwar nicht leicht, die Informationen zu verdauen, die auf ihn eingeprasselt waren, aber das in Teilen wirre Geschwafel der Ordensvorstände der letzten Jahrhunderte hatte ihn wenigstens in Grundzügen über alles aufgeklärt, was sich seit der Katastrophe in dieser Gegend tat.
Bruno Mötzli der Erste, der Ordensgründer, hatte den Mythos um den schlafenden König erschaffen, um der Familie ein Ziel zu geben, das nur mit großem Zusammengehörigkeitsgefühl zu erreichen war. Um zu verhindern, dass seine Nachfahren in die Barbarei zurückfielen wie die Alpenhorden, hatte er sie nach der Erlösung aus dem kalten irdischen Jammertal streben lassen nach herrlichen Zeiten, die angeblich anbrachen, sobald der schlafende König die Augen aufschlug.
Sein Plan hatte sich dennoch als sinnvoll erwiesen: Die Garde des schlafenden Königs hatte die Eiszeit mehrheitlich unbeschadet überstanden. Sie hatte alte Handwerkskünste wie das Schmieden und Patronengießen wiederentdeckt und war zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen, die sich versorgen konnte.
Seine Sippe war im Laufe der Generationen sparsam mit De Broglies Schätzen umgegangen und hatte ein gerüttelt Maß an Sturheit entwickelt, um gegen ihre Feinde zu bestehen. Verlachte oder angefeindete Gruppierungen schweißten sich meist noch enger zusammen. Es war ein großer Vorteil für den Fortbestand der Mötzlis gewesen, dass es auch ihren Erzfeinden, den Grauen Eminenzen, gelungen war, auf den Beinen zu bleiben.
Mit den Nüsslis war ihnen eine Konkurrenz erwachsen, an der sie sich hatten reiben können. Ständige Reibereien hatten zu erhöhter Wachsamkeit und geistiger und körperlicher Aktivität geführt.
Hätte es die Grauen Eminenzen nicht gegeben man hätte sie erfinden müssen.
Krrrrk!
Matt fuhr herum. Aruula, die während Vaders langer Rede auf dem Boden gesessen und den Kopf auf die angezogenen Knie gelegt hatte, um zu lauschen, schaute auf.
Matt trat an Otto Fortenskys Deep Freezer heran. In dessen Inneren ruckte und zuckte es nun.
Plötzlich schlug Claude De Broglie die Augen auf und starrte ihn aus hellblauen Augen an.
»Bingo!« sagte Matt leise. »Er ist aufgewacht.«
Aruula sprang auf die Beine und stellte sich an seine Seite. Sie machte ebenso große Augen wie De Broglie, der ihrer nun ansichtig wurde. Das Lächeln auf seinen Lippen wurde breiter aber, wie Matt fand, irgendwie auch blöder.
Dann knackte es erneut, und der schwarze Deckel des DeepFreezer klappte langsam auf und enthüllte die Gestalt des in ihm stehenden nackten Mannes. Die zahlreichen Drähte und Leitungen, die ihn mit der Apparatur verbanden, strafften sich und glitten an langen, aber haarfeinen Kanülen aus seinem Körper. Die Wunden bluteten nicht einmal.
De Broglies Körper bebte wie im Fieber. Die normalen Auswirkungen der Reanimation oder eine Fehlfunktion?
Wohl ersteres, wie Matt erleichtert feststellte, als sich schon nach wenigen Minuten der entblößte Leib wieder beruhigte. De Broglies Augen hatten sich in dieser Zeit kein einziges Mal geschlossen und sie musterten immer noch die barbusige Aruula. Sein Mund versuchte ein Wort zu artikulieren, doch erst nach mehreren Versuchen bekam er die Gesichtsmuskulatur unter Kontrolle.
»Fasch… Faszinierend…« De Broglie blinzelte Aruula zu und Matt bemerkte mit Befremden, wie auch ein anderes Körperteil weiter unten zum Leben erwachte und sich zusehends versteifte. Na ja der Mann hatte seit Jahrhunderten keine Frau mehr gesehen…
In einem Fach unter der körpergenau geformten Mulde, in der De Broglie gestanden hatte, sah Matt eine schwarze Montur liegen Er griff danach und reichte sie dem Mann aus dem Tank, der sie mit noch ungelenken Bewegungen entgegen nahm. Wenigstens schien er nun auch Matthew Drax zur Kenntnis zu nehmen.
»Mr. De Broglie?« fragte Matt.
»Wer schind… sind Sie?« krächzte De Broglie und schwang die
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