008 - Der schlafende König
Beine schwerfällig über den Rand seines kalten Sarkophags. Er reckte sich und gähnte ausgiebig. »Sind die hundert Jahre etwa schon rum? Es kommt mir vor, als sei ich gerade erst eingeschlafen. Welches Jahr schreiben wir?«
»Das kann ich nicht genau sagen«, sagte Matt, dem im selben Augenblick erst auffiel, dass er den Computer nach dem aktuellen Datum hätte fragen können.
»Amerikaner, was?« fragte De Broglie, stieg in den schwarzen Overall, der sogar seine Füße mit eingearbeiteten Schuhen umhüllte, und heftete seinen Blick wieder auf Aruulas ansehnliche Formen. »Hübsch angezogen, Ihre Freundin ist das die neueste Mode?« Er schaute sich um. »Sie sind von der Presse, was? Wie haben Sie mich gefunden?«
»Das ist Aruula; ich heiße Matthew Drax«, sagte Matt und räusperte sich. »Es war purer Zufall, dass wir Sie fanden, Mr. De Broglie. Leider muss ich Ihnen sagen, dass nicht alles so verlaufen ist wie geplant. Sie äh sollten sich setzen.«
Der Milliardär schien ihm gar nicht zugehört zu haben. Er deutete auf die Bunkertür, hinter der nun wieder das Gekreische der Ordensbrüder zu vernehmen war, die alles taten, um sie aufzubrechen. »Was soll dieser Lärm da draußen?«
»Da draußen versucht eine Menge heulender Derwische die Tür zum Bunker aufzumachen«, gab Matt Auskunft.
»Faszinierend.« De Broglie fasste sich an den Kopf. Er schien verwirrt.
»Ich fürchte, aus den geplanten hundert Jahren Tiefschlaf sind ein paar mehr geworden, Sir«, fuhr Matt fort. »Und ich frage mich, ob Sie die Welt da draußen…«
»So schlimm wirds schon nicht sein, alter Freund«, 'unterbrach ihn De Broglie. »Wie, sagten Sie, ist Ihr Name?«
»Matt Drax.«
»Komischer Name.« De Broglie kicherte albern. Er warf einen Blick auf den Computerschirm, der nun wieder den Bildschirmschoner zeigte. Dann wandte er sich erneut dem Ausgang zu. »Die Presse von heute ist offenbar noch rabiater als zu meiner Zeit.«
»Es sind keine Journalisten, Mr. De Broglie.« Als De Broglie nicht darauf reagierte, schwante Matt zum ersten Mal Fürchterliches.
Angenommen, das tiefgefrorene Hirn hatte im Lauf der vielen Jahre gelitten? Angenommen, Otto Fortenskys DeepFreezer funktionierte doch nicht so einwandfrei, wie es die Mäuse Tests hatten vermuten lassen?
»Erinnern Sie sich an Otto Fortensky, Sir?«
»Otto Fortensky?« De Broglie setzte eine nachdenkliche Miene auf. »Ah, Otto Fortensky! Natürlich! Er war der Leitende Raumflottenadmiral bei der letzten großen Schlacht gegen die Frogs im Sternbild des Orion!«
Matt starrte ihn an. Was?
»Nicht?« De Broglie setzte eine ehrlich zerknirschte Miene auf. »Es fällt mir gewiss gleich wieder ein, Mr. Max…« Er machte sich jedoch nicht die Mühe, es sich einfallen zu lassen. Stattdessen musterte er den mit Schusswaffen gefüllten Schrank an der Wand und pfiff dabei unbekümmert vor sich hin.
Aruula warf Matt einen fragenden Blick zu. Matt stiegen die Schweißperlen auf die Stirn.
»Mr. De Broglie«, setzte er an, um seinem Gegenüber den Ernst der Lage wenigstens ansatzweise zu erläutern, »ich muss Ihnen leider sagen, dass wir in Gefahr sind… In großer Gefahr…«
»Quatsch«, sagte De Broglie. »Mit den Pressehyänen werd ich schon fertig! Schon in meiner Studentenzeit hat man mich ›den rotzfrechen Claude‹ genannt.« Er schaute Matt und Aruula an und schien sie zum ersten Mal richtig wahrzunehmen. »Wie sehen Sie überhaupt aus, Soldat? Schon mal was von Kleiderordnung gehört, ha?!« Sein Kopf flog zu Aruula herum. »Und Sie, Lady?« fauchte er.
»Mit diesen Klamotten passen Sie eher in eine Conan Verfilmung als in mein Labor!«
Aruulas Englisch war mittlerweile gut genug, um De Broglie zu folgen. Sie wusste zwar nicht, wer dieser »Conan« war, doch De Broglies aggressiver Ton ließ sie instinktiv zum Schwert in der Rückenscheide greifen.
Ehe Matt die Situation bereinigen konnte, wich De Broglie zurück und schrie: »Was wollen Sie?! Wenn mir Gefahr droht, dann höchstens von Ihnen!«
»Mr. De Broglie«, sagte Matt sanft.
»Beruhigen Sie sich doch! Wir sind auf ihrer Seite…«
»Sind Sie nicht« schrie De Broglie.
»Doch, natürlich sind wir das«, versetzte Matt.
»Sind Sie nicht« schrie De Broglie.
Matt seufzte. »Hören Sie zu, dieses Spielchen wird uns nicht weit bringen. Da draußen lauert eine wütende Horde. Sie können uns und sich selbst helfen, hier mit heiler Haut heraus zu kommen. Für die Leute da draußen sind Sie ein König oder
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