008 - Der schlafende König
»Und De Broglie hat vermutlich einen an der Waffel.«
»Waffel?« fragte sie.
Matt machte die entsprechende Handbewegung vor seiner Stirn. Aruula lächelte. »Krank im Kopf?«
Matt nickte.
Irgendetwas rumste von außen gegen die Tür. Matt und Aruula fuhren herum und bauten sich mit geballten Fäusten neben dem vergitterten Turmzimmerfenster auf. Vor der Tür scharrten Stiefel. Dann wurde ein Schlüssel ins Schloss geschoben und herumgedreht. Die Tür schwang mit einem Knarren auf. Zwei behelmte Schatten zeigten sich auf dem Gang. Sie traten beiseite und schoben eine kleine Gestalt mit einem großen Tablett in den Raum hinein.
Als Matt und Aruula ihren Besucher sahen, tauschten sie einen verblufften Blick. Er war nur etwa achtzig Zentimeter groß, hatte Ohren wie eine Fledermaus und einen Zinken, auf den Zwerg Nase stolz gewesen wäre. Der Gnom war so faltig wie ein Hundertjähriger, aber seine grauen, listig blickenden Augen gehörten eher zu einem Fünfzehnjährigen.
Kaum hatten die Behelmten die Tür hinter dem Gnom geschlossen, als er das Tablett auf den Boden stellte, sich umdrehte, die Hände hinter seine riesigen Lauscher legte und ihnen die Zunge herausstreckte. Er schien also keinen sonderlichen Respekt vor den Ordensbrüdern zu haben. Matt legte diese Beobachtung erst mal unter Positiv ab.
»Willkommen im Tempel der Broglianer«, sagte der Gnom im kehligen Dialekt der Suizzani und wandte sich zu ihnen um. »Ihr habt die Ehre mit Sepp Nüssli, dem Ersten Spion der ruhmreichen Grauen Eminenzen von Züri.« Sepp baute sich breitbeinig vor ihnen auf, stemmte die Ärmchen in die Seiten, so dass sich sein schwarzer Umhang bauschte, und warf sich in die Hühnerbrust. »Und wer seid ihr?«
»Man nennt mich Maddrax«, sagte Matt.
»Ich bin Aruula.«
Sepp beäugte zuerst Matt, dann wandte er sich dessen Gefährtin zu. Sein Blick wanderte ganz allgemein über ihre Rundungen und speziell über ihren prächtigen Busen. Was er sah, schien ihm zu gefallen.
»Wo kommt ihr her?« fragte er. »Ich habe euch noch nie gesehen.«
»Aus dem Südland«, sagte Matt der Einfachheit halber. Die Wahrheit hätte dieser Kniich vermutlich eh nicht begriffen. »Was haben die Broglianer mit uns vor? Und was machst du hier?«
»Ich bin ein Gefangener wie ihr«, erwiderte Sepp. Er trat ans Fenster, stellte sich auf die Zehenspitzen seiner wildledernen Stulpenstiefel und druckte seinen Zinken an den unteren Rand der Scheibe. »Ich wurde vor einigen Tagen bei einer Tätigkeit ertappt, über die ich aus dienstlichen und familiären Gründen lieber keine Auskunft erteilen möchte.« Dass man ihn beim Klauen erwischt hatte, hätte er ja noch gestehen können, aber er fürchtete weitere Fragen seiner Mitgefangenen und in diesem Fall hätte er über die mysteriöse Krankheit sprechen müssen, die ihn zum Stehlen trieb.
Er drehte sich um. »Natürlich wäre es für einen gewitzten Spion wie mich leicht, von hier zu entwischen. Aber wohin sollte ich dann gehen?«
»Vielleicht zu deinem Volk?« fragte Aruula. Sepps Miene umwölkte sich. Er wirkte, als sei dies aus persönlichen Gründen kaum durchführbar. »Die Vorstellung hat zwar etwas Verlockendes«, sagte er, »aber aus Gründen, über die ich mich leider nicht weiter auslassen kann, dürstet es mich neuerdings nach der großen weiten Welt.« Er griff unter dem Umhang in ein unsichtbares Täschlein und entnahm ihm drei kleine schwarze Zigarren und ein Feuerzeug. Einen Lungentorpedo klemmte er sich zwischen die Lippen, die anderen hielt er Matt und Aruula hin. Aruula lehnte dankend ab, und auch Matt hatte sich das Rauchen schon vor Jahren abgewöhnt. Das war gut so; in dieser Welt waren die Zigarettenautomaten dünn gesät.
Sepp ließ das Feuerzeug klicken es war ein.Zippo, Made in Hongkong.
»Woher hast du das Feuerzeug?« fragte Matt. Sepp errötete. »Meinst du den Feuerspeier?« Matt nickte.
»Hab ihn gefunden«, sagte Sepp und errötete noch mehr. Er war ein schlechter Lügner. Man sah ihm an der Zinkenspitze an, dass er das Zippo geklaut hatte. Und als er nach dem ersten Inhalieren auch noch hustete, wusste Matt, dass er ans Rauchen nicht gewöhnt war. Vermutlich hatte er die Zigarren ebenfalls mitgehen lassen.
Sie nahmen auf dem Boden Platz und machten sich über das Tablett her. Ein undefinierbarer Fleischbrei und eine Kanne Wasser. Aruula und Matt bissen die Zähne zusammen und schlugen zu; der Hunger triebs hinein. Sepps unergründliche Taschen spuckten zudem kleine
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