008 - Hexenbalg
Kostüm ausdenken. Lass mich mal überlegen …« Und damit ging er in Gedanken versunken hinaus, und sie fragte sich belustigt, wie er das Problem wohl lösen würde.
Beth wurde gleich ernster zumute, als ihr einfiel, dass sie ihm von dem stornierten Auftrag bei Mrs. Hillburton berichten musste. Nein, jetzt nicht, das musste bis nach der Party warten.
Zu Hause probierte sie ihr Kostüm an. Karen musste neiderfüllt zugeben, dass das rüschenbesetzte, fließende Kleid und der Schutenhut wie geschaffen für sie waren.
Dann kam Marq, der sich als Pirat malerisch herausgeputzt hatte, um sie abzuholen. Mit seinem Dreispitz und dem falschen Bart war er kaum zu erkennen. Dazu trug er einen weiten, reich verzierten Umhang und hohe Stiefel. Eine schwarze Augenklappe und ein Degen, der ihm ziemlich im Weg war, ergänzten die Aufmachung.
Schon auf dem Weg zum Wagen erregten sie großes Aufsehen, was Beth sehr amüsierte. Sie war während der Fahrt blendender Laune und freute sich aufrichtig auf die Party.
Bei der Ankunft verflog allerdings diese Stimmung, als ihnen eine Person in schwarzer Kapuzenrobe mit totenfahlem Gesicht öffnete. Die Modergeruch verbreitende Luftmaschine lief auf vollen Touren. Als Beleuchtung waren grüne Glühbirnen installiert, die alle und alles in kränkliches Grün tauchten.
Im Ballsaal tanzte die heilige Johanna mit Julius Cäsar zu den Klängen eines Trauermarsches. Schwarze Kerzen flackerten in hohen Kandelabern und wetteiferten mit der Echokammer um die Verbreitung gespenstischer Atmosphäre.
Mrs. Hillburton hatte sich als Königin Viktoria verkleidet, während Linda in das Kostüm der Nofretete geschlüpft war. In ihrem Pupurkleid mit dem goldenen Mantelüberwurf sah sie umwerfend aus. Sogar Marq zeigte sich beeindruckt.
»Na, wie steht es mit der geplanten Seance? Ist das Medium in Stimmung?« fragte er sie.
Linda war ganz aufgeregt. »Wer weiß? Wer weiß denn schon, wer heute hier Gast oder Gespenst ist? Ich kann das nicht mehr unterscheiden.« Und fort war sie.
Beth überlief ein Schaudern. »Fühlst du dich hier wohl?« fragte Marq.
»Ja, schon, aber ich möchte an keiner Seance teilnehmen.«
»Ich auch nicht. Tanzen wir lieber!« Er führte sie auf die Tanzfläche, und sie musste daran denken, unter welch anderen Umständen sie das letzte Mal miteinander getanzt hatten.
Sie war froh, als Ramon sie störte, weil er unbedingt Marqs Degen begutachten wollte. Er selbst stellte Rudolfo Valentino dar. »Haben Sie schon die Wahrsagerin konsultiert?« fragte er. »Ich lasse mir aus den Teeblättern die Zukunft sagen. Kommen Sie mit. Allein ist es doch zu ungemütlich.«
Sie gingen in einen Raum, in dem einige als Zigeunerinnen verkleidete Mädchen aus Karten und Handlinien die Zukunft wahrsagten. In der wechselnd roten und blauen Beleuchtung konnte Beth so verschiedenartige Typen wie Kleopatra, Pancho Villa und Heinrich VIII. ausnehmen. Die Stimmung hätte nicht besser sein können, und die Gäste amüsierten sich großartig.
Die Wahrsagerin, die keineswegs echt, sondern eine Freundin Lindas war, sagte Ramon eine glückliche Ehe, langes Leben und mindestens zehn Kinder voraus.
Aber Beth glaubte bei einem flüchtigen Blick in die Teetasse, die Umrisse eines Dolches zu erkennen. Sicher hatte ihr die unheimliche Beleuchtung einen Streich gespielt. Und dazu die Räucherkerzen. Moschusgeruch. Beth kämpfte gegen eine Übelkeit an und bekam es plötzlich mit der Angst zu tun.
»Gehen wir lieber«, sagte sie zu Marq.
Er sah sie forschend an und führte sie sofort hinaus. »Wir waren lange genug da«, meinte er. »Am besten, wir fahren nach Hause.«
Am liebsten hätte sie zugestimmt, aber das wäre feiges Davonlaufen gewesen. »Nein, ich fühle mich nur ein wenig sonderbar. Kein Wunder. Ich suche mir einen stillen Winkel und werde mich für ein paar Minuten hinlegen.«
»Soll ich mit dir hinaufgehen?«
»Nein, das schaffe ich schon.« Sie ließ ihn stehen, lief die Treppe hinauf und dann einen Gang entlang. Unvermutet stieß sie mit einer Gestalt zusammen.
Sie war zu Tode erschrocken.
»Ich bin es – Ramon«, sagte eine Stimme. »Gut, dass ich Sie treffe. Ich muss Sie sprechen. Haben Sie den Grund für Mrs. Hillburtons Sinneswandel herausbekommen?«
»Nein«, log sie.
»Halten Sie es für möglich, dass sie ihre Meinung noch ändert?«
»Nein, ganz sicher nicht.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich stecke in großen Schwierigkeiten«, sagte er. Doch sie hörte kaum hin und lief
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