008 - Hexenbalg
wollte nur das Allernötigste einpacken und heimlich mit Starla das Haus verlassen, bevor Peter erwachte.
Hastig zog sie sich an und machte sich ein wenig zurecht. Das Köfferchen war rasch gepackt. Dann ging sie ins Kinderzimmer. Starla schlief noch tief unter ihrer rosa Decke. Das rabenschwarze Haar lag ausgebreitet auf dem bestickten Kissen. Beth stand da und sah ihr Kind an. Ihr brach das Herz, wenn sie daran dachte, was sie zu tun im Begriffe stand. Aber sie hatte keine Zeit zu verlieren. Sie beugte sich über das Bettchen und wollte das Kind herausheben.
Stattdessen schrie sie auf. Sie schrie und schrie, endlos. Ihre ganze Seele schrie, und in diesem Schreien versank das letzte Antlitz der Wirklichkeit.
Hinter dem Kinderbett lag Peter auf dem Boden. Er war tot. Sein Körper eine verstümmelte, blutige Masse. Alles war rot. Er lag genau unter Abbadons blutverschmierten Hufen. Beth sprang auf das Tier los und hieb wie von Sinnen auf den Gipskopf. Ihre Hände wurden blutig. Noch immer schreiend und mit blutigen Händen lief sie aus dem Zimmer, um Hilfe zu holen.
Oben am Treppenabsatz blieb sie stehen. Sie sah hinunter – in Effies Gesicht.
Die Verhandlung war nur ganz kurz. Das Verbrechen ließ sich leicht rekonstruieren. Effie Saxton sagte aus, dass sie einen Streit mit angehört hätte. Beth Mitchell hatte gedroht, mit dem Kind das Haus zu verlassen. Die Anklage ging davon aus, dass Peter sie im Kinderzimmer daran hindern wollte, Starla mitzunehmen, und dass sie ihn daraufhin getötet hatte.
Es passte alles nahtlos ineinander. Sogar der gepackte Koffer musste als Beweis herhalten. Nur die Mordwaffe fehlte. Beth wusste warum. Sie wusste, dass Effie von Anfang an alles geplant hatte. Sie hatte Beth in den Wahnsinn getrieben und Peter getötet. Und als Waffe hatte sie sich des Pferdes Abbadon bedient, Abbadons, des Engels des Verderbens. Seine Hufe waren die Mordwaffe.
Ihr war, als hätte sie nie zu schreien aufgehört. Sie stand im Gerichtssaal und wurde von Armen festgehalten, während sie herausschrie, was sie schon lange wusste: »Effie Saxton ist eine Hexe!«
22
Effie Saxton, wer immer sie sein mochte, hatte es nicht schwer gehabt, ihr Hexenkind zu bekommen. Beth und Peter hatten keine Angehörigen, die das Kind hätten übernehmen können, und Starla selbst hatte sich weinend in die Arme ihrer Kinderfrau geworfen!
In der Anstalt hatte Beth ein einziges Ziel: sie wollte ihre Tochter zurückgewinnen. Effie mochte eine Hexe sein – mit Beths Willenskraft hatte sie nicht gerechnet.
In diesem Entschluss war sie nie schwankend geworden.
Zunächst aber kam es darauf an, sich zu der Erkenntnis durchzuringen, dass es tatsächlich sie gewesen war, die Peter ermordet hatte. Gab es denn überhaupt eine andere Erklärung? Nur diese Selbsterkenntnis schien ihr der Weg zu sein, seelisch zu gesunden.
Manchmal wünschte sie sich, sie könnte sich an den Hergang – so schrecklich er auch gewesen sein mochte – deutlich erinnern. Dann würde sie endlich von den immer wieder auftauchenden quälenden Zweifeln erlöst sein.
Aber diese Erinnerung – so hatte Dr. Bolard ihr erklärt – sei so tief in ihrem Unterbewusstsein begraben, dass niemand sie wiedererwecken könne.
Im Augenblick aber war ihre Entschlusskraft anderweitig gebunden. Sie wollte sich von Mrs. Hillburtons brüsker Haltung nicht aus der Ruhe bringen lassen und musste sich nun mit dem Kostümproblem für Lindas Geisterparty befassen.
Sie entschloss sich schließlich, als Dolley Madison zu gehen, weil das schöne Empirekleid, das sie im Kostümfundus des Hauses Gipson entdeckt hatte, wunderbar zu ihrem Typ passte. Nach einem Porträt der lebenslustigen Präsidentengattin wollte sie noch ein paar Änderungen vornehmen.
Die Arbeit machte Spaß, und Beth vergaß darüber fast den Zweck, bis Marq hereinplatzte und fragte, was sie vorhabe. »Ach, nichts Besonderes. Linda Hillburton veranstaltet ein Kostümfest, und ich habe mir dieses Kostüm ausgesucht.«
Als er Näheres darüber wissen wollte und erfuhr, unter welchem Motto das Fest stehen sollte, äußerte er Bedenken.
»Beth, nimmst du wirklich gern daran teil? Wenn du nicht willst, musst du nicht hingehen!«
»Ach, Unsinn – es ist ja nur eine Party. Ich werde mich sicher toll amüsieren.«
»Und wer ist dein Begleiter?«
»Ich gehe allein. Das ist mir sehr recht.«
»Mir nicht«, widersprach er. »Ich werde dich begleiten. Sehr gern sogar. Ich muss mir nur ein passendes
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