0081 - Die Hexe von Los Angeles
Zamorra und Bill Fleming fuhren Thor zum Hotel zurück. Sie ließen das Frühstück in das Apartment kommen, daß sie neu bezogen hatten. Es war ein größeres Apartment für vier Personen.
Thor verschlang gewaltige Mengen von Eiern mit Schinken, Würstchen und Brötchen mit Marmelade. Dem Zimmerkellner, der alles anfuhr, gingen die Augen über vor Staunen. Als er endlich gesättigt war, rieb der Donnergott sich zufrieden den Bauch.
Er trug nur seinen Fellschurz. Seinen Hammer hatte er in Reichweite.
»So, jetzt will ich Bourbon.«
Bill Fleming brachte ihm eine Flasche, und der Ase setzte sie an und ließ es gluckern. Die halbe Flasche floß durch seine Kehle. Endlich setzte er sie ab.
»Ah, das ist ein Getränk. Davon werde ich Odin berichten, das sollten wir in Asgard einführen.«
Thors Kater war offensichtlich verflogen. Gutgelaunt begann er, ein kriegerisches Lied zu singen.
»Ich schlag den Feind in heißer Schlacht, die Walstatt färbt sein Blut. Es fällt ein jeder im wilden Kampf vor meines Schwertes Wut. Erst fließt das Blut, dann fließt der Met, ist unser Sieg vollbracht. Und danach verschönt mir noch ein schönes Weib die Nacht. Hajaja, Hojono, Hojoho, Hojoho, joho!« Thor sang immer lauter, und seine Stimme war gewaltig.
»Ich bitte dich, Thor«, ermahnte ihn Zamorra, »Kannst du nicht ein wenig leiser sein? Wir sind nicht allein in diesem Hotel.«
»Ich singe, so laut ich will«, sagte der Donnergott und ließ mit einem Faustschlag den Frühstückstisch mit dem benutzten Geschirr zusammenkrachen. »Wer will mir das verbieten?«
Es war hoffnungslos. Der vor Kraft und Selbstbewußtsein strotzende Donnergott benahm sich wie der Elefant im Porzellanladen. In Asgard und in den weiten Wäldern Germaniens hatte er nach Herzenslust toben können. Aber die Menschenwelt des 20. Jahrhunderts war übervölkert, in der Stadt geriet ihm ständig jemand in die Quere.
Ohne seine ›Kindermädchen‹ Zamorra und Bill Fleming hätte Thor längst eine Katastrophe heraufbeschworen.
Zamorra erzählte ihm, daß sie gleich gegen die Druidenhexe Vorgehen wollten. Thor hatte nichts dagegen.
»Wir fahren mit eurer Kutsche hin, die sich ohne Pferde fortbewegt«; sagte er. »Dann schlage ich sie mit meinem Hammer aufs Haupt, und damit hat sich der Fall.«
»So einfach ist das nicht«, sagte Zamorra. »Die Druidenhexe wird sich schützen. Wenn wir einfach bei ihr aufkreuzen, ist sie gewarnt und kann flüchten oder Maßnahmen treffen. Sie kann furchtbares Unheil auf dieser Welt anrichten. Denk nur, Thor, wenn sie den Fenriswolf in einer belebten Großstadt losläßt. Oder wenn die Midgardschlange ein Haus zerquetscht, so groß wie dieses Hotel und voll mit Menschen.«
Thor kennte sich zwar keine rechte Vorstellung von einer Millionenstadt machen, war aber trotzdem beeindruckt. Er begriff, daß es mit seiner Haudrauf-Manier nicht ging.
»Bei den Asen hat immer Odin die Schlachtpläne geschmiedet«, sagte er. »Was schlägst du vor, Zamorra?«
»Wir müssen die Druidenhexe überlisten«, sagte Zamorra. »Ich werde ihr einen Kampf vorschlagen. Sie soll ihre ganze Macht und ihre Verbündeten mobilisieren, ich die meinen. Der Kampf soll nur zwischen unseren beiden Parteien ausgetragen werden. Wir legen beide einen magischen Eid ab, den keiner von uns brechen kann. So kommen wenigstens keine Unbeteiligten zu Schaden.«
»Ein sehr guter Plan, Zamorra«, sagte Thor und trank noch einen Schluck Bourbon. »Du hast einen guten Kopf, wenn du auch ein bißchen schwach bist.«
Zamorra lächelte ein wenig verkrampft. Er war in großer Sorge wegen Nicole Duval, wenn diese auch durch Odins Eingreifen außer Gefahr sein und keine Qualen und Ängste spüren sollte. Aber man konnte nie wissen. Loki, der Gegenspieler des Asenvaters Odin, war ein Ränkeschmied und hatte schon mehr fertiggebracht.
»Wir müssen dich tarnen, Thor«, sagte Zamorra, »denn wenn die Druidenhexe dich bei uns sieht, weiß sie gleich Bescheid. Ich werde dich als meinen Gehilfen ausgeben, wenn du gestattest. Aber damit die Druidenhexe dich nicht erkennt, mußt du Kleider anziehen, wie Bill Fleming und ich sie tragen. Außerdem müssen dein Haar und dein Bart gefärbt werden.«
»Meinen Feuerschopf und meinen Rotbart soll ich färben? Niemals! Auf gar keinen Fall, eher schlage ich dieses ganze Hotel mit meinem Hammer in Trümmer! Nie sage ich, nie!«
Zamorra bewies, daß an ihm ein großer Diplomat verlorengegangen war. Nach einer halben Stunde hatte er
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