0082 - Die Horror-Nacht
kleiner Urlaubsflirt, den man zu Hause wieder vergißt. Wir wohnen beide in derselben Stadt. Ich würde dich gern wiedersehen, wenn wir wieder in Köln sind. Wir könnten öfter zusammen ausgehen. Essen, tanzen – irgendwelche verrückten Dinge tun. Was meinst du, habe ich Chancen, das zu erreichen?«
»Frag mich ein andermal, Harry.«
»Wann?«
»Wenn wir wieder in Köln sind.«
Pallenberg nickte. »Okay. Ich wird’s nicht vergessen. Und nun komm. Suchen wir Claus-Dieter.«
Sie verließen den prunkvollen Saal, schritten einen langen, düsteren Gang entlang. Lydias Nerven waren bis zum Zerreißen angespannt.
Sie befürchtete eine Begegnung mit dem Vampir.
Harry Pallenberg öffnete jede Tür, an der sie vorbeikamen. Von Claus-Dieter Krämer keine Spur. Auch Garco ließ sich nicht mehr blicken.
Lydia und Harry schienen sich allein auf dem verfluchten Schloß zu befinden.
Allein – mit Graf Morloff?
Sie kehrten um. Pallenberg hatte festgestellt, daß sämtliche Türen, die nach draußen führten, abgeschlossen waren. Lydia war das nicht entgangen. Ihre Angst uferte aus.
Als sie wieder den Saal erreichten, in dem sie von Garco bewirtet worden waren, hastete das Mädchen auf die Tür zu, durch die sie in das Schloß gelangt waren.
Auch hier war mit einemmal abgeschlossen, und schaudernd stellte Lydia fest, daß alle Fenster im Erdgeschoß vergittert waren.
»Die Falle ist zugeschnappt!« krächzte das Mädchen verstört. Sie starrte Pallenberg zitternd an. »Wir sind verloren, Harry. Aus diesem Schloß kommen wir nicht mehr lebend raus!« Lydia schlug die Hände vors Gesicht. »Warum«, schluchzte sie, »warum habe ich bei diesem Wahnsinn bloß mitgemacht?«
***
Jack Garland hatte nichts dagegen, daß ich mir Jills Zimmer ansah. Es befand sich im Obergeschoß. Ein netter Raum mit freundlichen Tapeten und weißen Möbeln.
Das typische Jungmädchenzimmer. Ein Raum zum Wohlfühlen. An den Schranktüren klebten Poster von John Travolta und Olivia Newton-John. Auf einem Highboard gab es etwa dreißig LPs im Plastikständer. Daneben stand ein Gerät, das Radio, Kassettenrecorder und Plattenspieler in einem war.
»Ich habe diesen Raum seit dem Tod meiner Tochter nicht mehr betreten«, sagte der Wirt.
»Wenn Sie das Zimmer lieber verlassen möchten…«, sagte ich.
Garland schüttelte den Kopf. »Wie soll ich jemals darüber hinwegkommen, wenn ich diesen Raum ständig meide?«
Ich ließ meinen Blick weiter durch das Zimmer schweifen. »Hier also ist es passiert. Hier hatte Jill Besuch von Graf Morloff.«
Garland nickte. Seine Brauen waren zusammengezogen.
»Ich vermisse jegliches christliches Symbol, Mr. Garland«, sagte ich.
»Jill muß das Kreuz, das über ihrem Bett hing, entfernt haben.«
»Das hat Morloff von ihr verlangt«, sagte Inspektor Charisse. »Ist es nicht so, daß ein Vampir ein Haus nur dann betreten kann, wenn ihn jemand dazu einlädt, Oberinspektor?«
»Das ist richtig«, sagte ich.
Jack Garland riß die Augen auf. »Soll das etwa heißen, daß meine Tochter diesen Unhold eingelassen hat?«
Ich schaute zum Fenster. »Vermutlich tauchte er dort auf. Sein hypnotischer Blick schlug Jill in seinen Bann. Sie war zum Gehorsam gezwungen. Er trug ihr auf, das Kreuz abzunehmen und das Fenster zu öffnen. Sie hatte keine andere Wahl. Sie mußte es tun.«
Garland schüttelte den Kopf. »Es ist alles so entsetzlich.«
»Haben Sie in den Nächten da vor keine Wahrnehmung gemacht, Mr. Garland?« erkundigte ich mich. »Es besteht durchaus die Möglichkeit, daß sich der Vampir schon einige Nächte vorher in der Nähe Ihres Hauses herumgetrieben hat.«
Garland blickte mich grimmig an. »Denken Sie, daß ich in einem solchen Fall nichts unternommen hätte? Ich hätte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um diesen Unhold zu vertreiben. Edwige und ich hatten nicht die blasseste Ahnung, daß dieser blutgierige Teufel gegen unsere Tochter etwas im Schilde führte.«
Ich sah die Szene genau vor mir, die Jill Garland das Leben gekostet hatte. Und es überlief mich bei dieser Vision kalt.
Plötzlich ein greller Schrei.
Und dann überstürzten sich die Ereignisse!
Edwige Garland raste zur Tür herein. Wahnsinn flackerte in ihren weit aufgerissenen Augen. Ihr Gesicht war verzerrt. Sie hielt ein langes Messer in ihrer Rechten und stach damit voll Wut auf den Inspektor ein.
Jack Garland und Delmer Charisse waren wie gelähmt. Sie vermochten nicht zu reagieren. Es hätte ein Blutbad gegeben, wenn ich
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