0082 - Die Horror-Nacht
Ausdruck.
Sie schien den Verstand verloren zu haben. Kein Wunder. Was diese Frau und Mutter mitgemacht hatte, war nicht so leicht zu ertragen.
Ich hatte Mitleid mit Edwige und Jack Garland, und ich schwor mir angesichts dieser Frau, gegen den Vampir mit aller mir zu Gebote stehender Härte vorzugehen.
Graf Morloff mußte sterben.
Und zwar schnell!
***
Von Minute zu Minute wuchs Lydias Unruhe. Sie nagte an ihrer Unterlippe und blickte Harry Pallenberg furchtsam und vorwurfsvoll an.
»Wir hätten niemals kommen dürfen«, sagte sie mit belegter Stimme. »Das war ein großer Fehler…«
Pallenberg versuchte sie zu beruhigen. »Du brauchst keine Angst zu haben. Sobald Claus-Dieter zurückkehrt, brechen wir auf. Wir verlassen das Schloß und kehren nach Swanage zurück. Und in ein paar Tagen wirst du über deine Angst lachen.«
»Wie lange ist Claus-Dieter schon weg?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe nicht auf die Uhr gesehen.«
»Ich glaube nicht, daß er Garco helfen sollte. Ich befürchte eher, daß dieser unheimliche Verwalter Claus-Dieter von uns weggelockt hat.«
»Wozu sollte das denn gut sein?«
»Damit er mit ihm allein ist.«
»Und was macht er mit ihm allein?« fragte Harry Pallenberg.
»Was denn schon?« gab Lydia Groß gepreßt zurück. »Kannst du es dir nicht denken?« Das Mädchen erhob sich. »Ich kann nicht mehr länger warten. Ich halte es in diesem Schloß nicht mehr aus, Harry.«
»Wir können nicht ohne Claus-Dieter weggehen.«
»Wo bleibt er denn nur so lange?« fragte Lydia ungeduldig. Ihr Blick streifte eines der Fenster. Stockdunkel war es draußen.
Die Zeit des Vampirs war lange schon angebrochen. Bei diesem Gedanken überlief es das Mädchen eiskalt. Gab es noch einen Ort, wo sie vor dem Blutgrafen sicher waren?
Ganz bestimmt waren sie es nicht in seinem Schloß. Aber auch draußen waren sie der bluthungrigen Bestie ausgeliefert.
Bestimmt hatte sich Graf Morloff bereits wieder auf seinen nächtlichen Streifzug begeben. Lydia dachte an John Sinclair.
Sie hätten auf den Oberinspektor hören sollen. Aber Harry Pallenberg war von der Idee seiner Horrorfahrt geradezu besessen gewesen. Und er hatte eine sträfliche Unbekümmertheit an den Tag gelegt.
Das würde sich nun rächen.
Lydia fragte sich, ob John Sinclair etwas zu ihrer Rettung unternehmen würde.
Wenn er feststellte, daß sie nach Einbruch der Dunkelheit noch nicht in das Gasthaus zurückgekehrt waren, würde er sich vielleicht auf den Weg hierher machen.
Darauf hoffte Lydia.
John Sinclair war der Halm, an den sie sich in ihrer großen Furcht klammerte.
Das Mädchen wandte sich um. »Wie lange willst du noch untätig hier herumsitzen, Harry?« fragte sie nervös.
Pallenberg lächelte. »Was erwartest du von mir? Was soll ich tun?«
»Angenommen, Claus-Dieter kommt bis zum Morgengrauen nicht zurück. Hast du dann vor, die ganze Nacht hier zu sitzen und auf ihn zu warten?«
Harry Pallenberg stand auf. »Okay. Was schlägst du vor, Lydia?«
»Wir müssen Claus-Dieter suchen. Und wenn wir ihn gefunden haben, sehen wir zu, daß wir von hier wegkommen.«
»Wo sollen wir ihn denn suchen?«
»Überall.«
»Es wird Garco aber nicht gefallen, wenn wir in allen Räumen herumschnüffeln.«
»Es ist mir egal, was Garco denkt.«
»Wir mißbrauchen seine Gastfreundschaft.«
»Gastfreundschaft! Pah! Daß ich nicht lache.«
»Er hat uns immerhin vorzüglich bewirtet.«
»Das hat er bestimmt nicht ohne Hintergedanken getan!« behauptete Lydia Groß. »Dieser Mann ist ein Teufel, Harry. Er haßt die Menschen. Wenngleich er es auch bestreitet, ich sage dir, dieses Schloß ist doch verflucht. Graf Morloff lebt nachts noch hier, und Garco ist sein ergebener Diener. Wir genießen die Gastfreundschaft eines Mannes, der einem Blutsauger dient, Harry. Vielleicht ist Claus-Dieter dem Vampir bereits zum Opfer gefallen. Das würde erklären, wieso er so lange fortbleibt!«
Harry Pallenberg schüttelte energisch den Kopf. »Genug, Lydia. Du verrennst dich da in eine Idee…«
»Wirst du Claus-Peter nun mit mir suchen, oder nicht?« fiel ihm das Mädchen ins Wort.
Er ging zu ihr. »Natürlich gehe ich mit dir«, sagte er sanft. »Du bist sehr schön, Lydia. Weißt du das?«
»Es ist nicht der richtige Zeitpunkt…«
»Ich finde, der Moment ist genau richtig. Endlich einmal ist Claus-Dieter nicht dabei. Laß mich offen mit dir reden, Lydia. Ich empfinde sehr viel für dich. Ich würde gern mehr sein als nur dein Kollege und ein
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