0083 - Als die Knochenreiter kamen
vorübergehend aus den Augen verloren, das ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß sie immer noch mein Eigentum ist – jedenfalls, solange ich darauf Wert lege.
Zähneknirschend schwor sich Hamad auf dem Krankenlager, Chana zurückzuholen. Ihre Liebe zu Parandeh hatte keine Existenzberechtigung. Zugegeben, Tehar sah wesentlich besser aus als er. Aber was ist schon ein Gesicht. Was sind schon ebenmäßigere Züge, eine kürzere Nase, hellere Zähne?
Er, Hamad, hatte das ältere Recht auf Chana – und das wollte er demnächst geltend machen.
Chana hatte inzwischen erfahren, daß Parandeh und Hamad geflohen waren. Es störte sie nicht. Vor allem bei Parandeh störte es sie nicht. Ihm hätte sie sogar einen Mord verziehen, so vernarrt war sie in ihn.
»Mein Haus ist euer Haus«, hatte sie zu Parandeh und Hamad gesagt. »Ihr könnt bleiben, solange ihr wollt. Ich werde euch nicht verraten.« Dabei hatte sie Parandeh mit verklärten Augen angesehen, daß Hamad vor Wut beinahe die Wand hochgeklettert wäre. »Natürlich«, hatte Chana fortgesetzt, »können wir euren Aufenthalt in diesem Dorf nicht geheimhalten…«
»Was werden die Dorfbewohner tun?« fragte Hamad nervös.
Chana blickte auf ihre Füße. »Ein Mädchen, das mit zwei Männern in einem Haus wohnt…« Sie lächelte. »Die Leute werden vor mir ausspucken.«
»Werden sie etwas gegen uns unternehmen?« fragte Hamad schnell.
Chana schüttelte den Kopf. »Sie werden einen großen Bogen um uns machen. Sie werden uns meiden, als hätten wir drei eine ansteckende Krankheit.«
Hamad grinste. »Das kann uns nur recht sein.«
»Gefahr droht euch nur von einem einzigen Mann«, sagte Chana mit besorgter Miene. »Von unserem Mullah.«
Hamad setzte sich auf. »Was wird er tun?«
»Einmal im Monat verläßt er unser Dorf auf seinem Esel, um seinen amtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Wenn er weiß, daß ihr entsprungene Häftlinge seid, wird er sich mit der Polizei in Verbindung setzen.«
Jetzt lag Hamad auf dem harten Krankenlager, beobachtete die Spinne, die die Fliege fraß, und dachte an den Mullah, den er sich demnächst mal kaufen mußte. Er baute auf seinen Revolver. Damit wollte er den alten Mann tüchtig einschüchtern und ihm unmißverständlich zu verstehen geben, daß er ihn über den Haufen schießen würde, wenn er sie bei der Polizei verpfiff. Hamad war sicher, daß er beim Mullah sein Ziel erreichte.
Diese Sache hatte noch etwas Zeit.
Vorrang hatte im Moment das andere: er mußte die junge Liebe zwischen Parandeh und Chana torpedieren, und er wußte auch schon, wie er das anstellen würde. Die beiden hatten ihn lange genug allein gelassen. Er hatte sehr viel Zeit gehabt, an seinem Plan zu feilen. Es würde ihm nicht schwerfallen, mit Parandeh aus dem Dorf zu gehen. Er würde Tehar unter irgendeinem Vorwand von hier fortlocken…
Und er würde ohne Tehar Parandeh hierher zurückkehren.
Danach würde es kein Hindernis mehr zwischen ihm und Chana geben.
Ein Toter ist kein Hindernis, das man ernstnehmen muß.
***
Da standen sie – vor dem Tor zur Hölle.
Eine Nervosität, die kaum zu bezähmen war, kribbelte in ihrem Nacken. Nicole Duval hielt sich vorbildlich. Zamorra war stolz auf seine Assistentin. Keiner von ihnen konnte wissen, was auf sie einstürmte, sobald sie die Schwelle ins Jenseits überschritten hatten.
Trotzdem wichen weder Nicole noch Bill von Zamorras Seite. Sie bildeten zu dritt eine Einheit, die sich drüben, in jener unergründlichen, gefahrvollen vierten Dimension, verbissen zu behaupten versuchen würde.
Es galt, den Horden des Dschingis Khan Einhalt zu gebieten.
Der Mongolensturm von einst – an Grausamkeiten nicht zu überbieten – war genug. Eine Neuauflage dieser Schreckenstaten war auf dieser Welt nicht willkommen.
Bill Fleming drückte Nicole eine Pistole in die Hand.
Das Mädchen schaute den Amerikaner verwirrt an. »Was soll das, Bill? Denkst du, daß wir damit dort drüben etwas ausrichten? Mit gewöhnlichen Kugeln?«
Bill schaute auf die Pistole, die in seiner Hand lag. »Sie gibt einem wenigstens das Gefühl, nicht ganz wehrlos dorthin zu gehen.«
»Ebensogut könntest du dich mit einem Schaumgummischwert bewaffnen«, sagte Nicole realistisch. Sie wollte Bill die Waffe zurückgeben.
Da sagte Zamorra: »Vielleicht kann ich die Wirkung der Waffen erhöhen.«
»Womit?« fragte Nicole.
Zamorra nahm sein Amulett ab und bat Bill und das Mädchen, die Waffen zu entladen und ihm sämtliche
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