0084 - Das Buch der grausamen Träume
auch. Weiter.«
Der Bürgermeister wandte sich nach links und marschierte jetzt auf direktem Weg zum Fluß.
Der Untergrund wurde nasser, manchmal war das Gras eine regelrechte Rutschbahn.
Die Männer und Frauen erreichten mit ihren Gefangenen eine Stelle, die für die Hexenprobe wie geschaffen war. Kein hinderndes Ufergebüsch, sondern flaches Land, schon in einen leichten Sumpf übergehend.
»Legt die Gefangenen nieder!« ordnete der Zwerg an.
Suko und Julia wurden zu Boden gelassen. Die Männer und Frauen umstanden die beiden im Kreis. Vom Fluß her trieben leichte Dunstschwaden dem Ufer entgegen. Es roch feucht und modrig. Ein abgestorbener Baum lag auf der Seite und tunkte seine Äste in das Wasser. Der Zwerg starrte auf den Fluß.
»Nichts zu sehen«, murmelte er. »Wenn ich nur wüßte, wo sich dieser Bastard verkrochen hat.«
Der Mann war beunruhigt, während Suko sich darüber freute.
»Wir sollten uns beeilen«, schlug Golo vor. Anscheinend fühlte auch er sich unwohl in seiner Haut.
Der Zwerg war einverstanden. Er warf noch einen Blick in die Runde. Zufrieden glänzten seine Augen. Er, der Kleine, konnte sich hier endlich als Herrscher aufspielen, dem alle gehorchten. »Dann los!« rief er. »Packt sie!« Die Männer gehorchten augenblicklich.
»Zum Fluß mit ihnen!« kreischte der Bürgermeister.
Die Kerle schoben die beiden Bretter die Böschung hinunter. Sie mußten sich anstrengen, da querlaufende Wurzeln und Äste die Strecke schwierig machten.
Suko war als erster an der Reihe. Er verdrehte die Augen, um etwas erkennen zu können. Zweige peitschten durch sein Gesicht, ein Dorn ritzte seine Wange ein.
Dann umspielte das Wasser seine Füße.
Sukos Herz klopfte schneller. Würde er untergehen, oder würde das Brett sein Gewicht halten?
Beides war im Prinzip gleich schlimm. Töten wollten sie ihn so oder so.
Ein letzter Stoß und das Brett glitt in den Fluß…
***
Meine Lage war wirklich bescheiden. Die Köter waren verdammt schnell am Ufer, und mir blieb nichts anderes übrig, als die Flucht zu ergreifen. Wieder tauchte ich unter.
Das grünschwarze Naß nahm mich abermals auf. Im Wasser tauchte ich weiter. Irgendeine Alge streifte mein Gesicht, und ich ekelte mich für einen Moment. Unter Wasser bewegte ich mich auf das gegenüberliegende Ufer zu. Dort tauchte ich auf, hielt aber nur das Gesicht über Wasser, damit ich atmen konnte.
Schattenhaft sah ich die Bluthunde am anderen Ufer. Dafür hörte ich sie um so besser. Ihr Kläffen klang drohend und gefährlich. Sie hechelten und jaulten, während sie mit ihren Pfoten den Uferschlamm aufwühlten. Aber sie sprangen nicht ins Wasser. Sie hatten meine Spur verloren.
Behutsam tauchte ich wieder unter, nachdem ich zuvor noch tief Luft geholt hatte. Dann ließ ich mich von der Strömung weitertreiben. Nachdem ich abermals aufgetaucht war und Luft geholt hatte, bewegte ich mich durch Schwimmen voran. Ich war ein schönes Stück weitergekommen. Die Hunde wurden mir nicht mehr gefährlich.
Rechts von mir befanden sich die Häscher. Ihre Fackeln leuchteten. Dort, wo sie hergingen, schien die Erde zu glühen.
Ich sah zu, daß ich in flacheres Gewässer gelangte, und schritt mit ihnen in gleicher Höhe weiter. Bis sie zum Fluß hin abbogen.
Ich warf einen Blick zum anderen Ufer hinüber und erkannte ebenfalls die günstige Stelle für das, was sie vorhatten. Ein ziemlich breiter Streifen war frei von Büschen und Bäumen. Ein idealer Platz für die Hexenprobe. Das Wasser reichte mir bis zu den Knien. Ich fror wie ein Schneider und mußte mich ducken, als sich die Menschen näherten. Ihre Stimmen schallten über das Wasser, und ich hörte auch die keifenden Organe der Frauen heraus. Diese Weiber waren oft schlimmer als Männer. Die Prozession erreichte das Ufer.
In einer langen Linie blieben sie stehen. Die Träger senkten ihre Fackeln und leuchteten über die Wasserfläche. Da war ich schon nicht mehr zu sehen. Unter den Ästen tauchte ich weg und stieß dann vorsichtig durch die Oberfläche.
Nun befand ich mich nur ein paar Yards vom eigentlichen Schauplatz des Geschehens entfernt.
Die Kerle hatten Suko und das Mädchen auf ein Brett geschnallt. Sie ließen die beiden jetzt von ihren Schultern gleiten und schoben das erste Brett, auf dem Suko lag, ins Wasser. Mein Freund konnte sich nicht rühren. So stramm war er gefesselt. Und er konnte sich erst recht nicht aus eigener Kraft befreien. Jetzt kam mir etwas zu Hilfe, das ich immer bei mir
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