0084 - Er starb an meiner Stelle
Kollege sagte wörtlich: »Im Jahre 1943 wurde eine Börsenmaklerfirma gegründet, bei der folgende Teilhaber eingetragen waren: Bill Mackfield, Brian C. Lombart, Roger Baldwell und Chester Lorrence. Die Firma wurde 1945 aufgelöst.«
»Vielen Dank«, sagte ich gedehnt. »So etwas hatte ich erwartet.«
Noch bevor man zu einer neugierigen Gegenfrage kam, hatte ich die Gabel niedergedrückt. Ich wechselte mir an der Theke einen Dollar und ging zurück in die Telefonzelle.
Zuerst rief ich Lombart an. Nach einigem Hin und Her bekam ich ihn an die Strippe.
Ich dämpfte meine Stimme, denn geflüstert klingen fast alle Stimmen gleich, jedenfalls am Telefon.
»Lombart, vergessen Sie nicht — eine Million! Sonst passiert das, was ich Ihnen ja schon gesagt habe.«
Ein nervöses Hüsteln war die Antwort. »Hören Sie, tun es denn 700 000 nicht auch? Wenn ich eine Million flüssigmachen wollte, würde es auffallen, weil ich dann Aktien absetzen müßte, die so stehen, daß sie augenblicklich kein Mensch verkauft! Das könnte einen Kurssturz zur Folge haben — und dann…«
Ich legte auf. Schließlich konnte ich als G-man nicht wie ein Erpresser mit meinem angeblichen Opfer handeln.
Aber ich wußte, was ich wissen wollte: Auch Lombart wurde erpreßt.
Ich rief Baldwell an. Bei ihm war es fast unmöglich, ihn an die Strippe zu bekommen. Erst nach ein paar faustdicken Lügen bekam ich ihn.
»Bald well!« bellte eine nicht sehr angenehme Stimme.
»Haben Sie an die Million gemacht, Baldwell?« fragte ich.
Verdutztes Schweigen. Dann kam seine Stimme wieder, aber jetzt klang sie sehr leise.
»Kennen Sie Chicago?« fragte er.
»Wieso?«
»Dort soll es Leute geben, die für weniger Geld schwere Verbrechen begehen. Einmal sind Sie davongekommen, mein Lieber! Beim nächstenmal wird es Sie erwischen, verlassen Sie sich drauf! Sie spielen zu gefährliche Spielchen, Mr. Crack!«
Klack. Baldwell hatte aufgelegt.
Mir war, als hätte ich eine kalte Dusche abgekriegt. Crack, hatte Baldwell gesagt. Und Chicago! Erpresser, die Bande aus Chikago, die vier Börsenjobber als Erpreßte — das gehörte alles zusammen! Das war alles ein einziger Fall!
***
»Sag mal, Bob«, knurrte Caleday, »warum wollten diese Schmeißfliegen dich eigentlich umlegen?«
Crack lehnte sich zurück. Er kippte sich einen Reisschnaps in die Kehle und schloß die Augen.
»Well«, sagte er. »Warum soll ich dir die Geschichte eigentlich nicht erzählen? Also, paß auf…«
Alles lief deutlich vor Cracks geistigem Auge ab.
Die Maschine der PAA rollte langsam aus.
Die Stewardeß bedankte sich dafür, daß die Fluggäste eine Maschine gerade dieser Gesellschaft bevorzugt hatten, und sprach den üblichen Schmus von hoffentlich baldigem Wiedersehen, stets gern zu Ihren Diensten und so weiter und so fort.
Crack stieg als letzter aus.
Es war ein ganz merkwürdiges Gefühl. Seit 23 Jahren oder so hatte er zum erstenmal wieder amerikanischen Boden unter den Füßen.
Als ob man nach Hause käme, dachte er.
Und gleich darauf schalt er sich: Nun werde bloß nicht sentimental, alter Junge. Fehlt nur noch, daß du in Freudentränen ausbrichst und die heilige amerikanische Erde mit Kniefall und inbrünstigem Kuß beehrst. No, no, die Welt ist überall schön. Bloß da, wo man aufgewachsen ist, da kleben die schönsten Erinnerungen dran. Das ist es. Nicht mehr, nicht weniger.
Geistesabwesend passierte er Zoll und Gepäckabfertigung. Dann winkte er sich ein Taxi und sagte: »Manhattan!«
Der Fahrer grinste.
»Das kann ich ziemlich leicht finden, Sir. Aber wenn sie vielleicht ein bißchen genauer werden könnten? In Manhattan leben so einige Millionen Menschen, wie soll ich gerade von Ihnen wissen, wo Sie hin müssen?«
Crack lachte leise. Natürlich- Wie sollte der Driver wissen, was ihm vorschwebte? Nach 23 Jahren!
»Fahren Sie einfach ein bißchen durch Manhattan!«
»Komisch«, sagte der Fahrer.
»Was?«
»Sie reden wie ein richtiger Amerikaner, und dabei sind Sie ein Tourist.«
Crack schmunzelte. Tourist? Ja, war er das nicht eigentlich? Hatte er sich nicht 23 Jahre lang kreuz und quer auf dem ganzen Globus herumgetrieben?
Aber nein, so ganz einfach war das doch nicht. Hier saßen immerhin noch seine Schwester, sein Schwager, ein netter Kerl übrigens, nur ein bißchen korrekt in allen Dingen, dachte Crack.
Meine Schwester! Die wird Augen machen. Wahrscheinlich glaubt sie schon, ich lebe gar nicht mehr. Ich konnte ja sehr lange nicht schreiben. Man
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