0084 - Er starb an meiner Stelle

dem Strom heraus und betrat eine der engen Zellen.
    Er warf einen Nickel ein und wälzte das dicke Telefonbuch von Manhattan. Als er seine Nummer gefunden hatte, wählte er: Longacre 7-6243. Er wartete.
    »Firma Caleday«, sagte eine Telefonistin.
    »FBI«, sagte Crack und wurde nicht einmal rot dabei. »Geben Sie mir den Chef, Fräulein!«
    Es dauerte nicht lange, da hörte er die wohlbekannte Stimme: »Frank Caleday, Textilien. Was ist los?«
    »Hier spricht C-A-14«, sagte Crack. Er mußte dabei grinsen.
    »Was für Zeug? Wer ist da?«
    »Hier ist Caesare Antonio Vierzehn!« wiederholte Crack.
    Ein atemloses Schweigen war die Antwort. Dann brach ein Gewitter über ihn herein.
    »Crack, alte Etappennudel! Ist’s möglich? Bist du es wirklich, gesprenkeltes Honigkuchenpferd? Mensch, du Idiot! Du lebst noch? Wie lange haben wir uns nicht gesehen? 30 Jahre? 25?«
    »Genau 26«, sagte Crack lachend. »Wie geht es dir?«
    »Glänzend für dich — saumäßig fürs Finanzamt. Sag mal, bist du etwa in New York?«
    »Klar!«
    »Auf dem Flugplatz? Richtig getippt, was? Gerade von irgendwoher eingetrudelt, he?«
    »Totalfalsch! Ich bin schon seit einigen Tagen hier. Und im Augenblick stehe ich in einer Telefonzelle des Central.«
    »Das wagst du leichtfertiger Vorposten mir anzubieten? Mensch, wenn du nicht in ner Zehntelsekunde bei mir bist, lasse ich dich von der Feuerwehr einfangen! Los, Junge, mach Beine wie damals, als dich die japanische Geheimpolizei noch 24 Stunden vor dem großen Zapfenstreich hängen wollte! Hopp-hopp sei deine Devise! Ich lege auf, sonst dauert’s zu lange, bis zu endlich hier bist!«
    Klack. Er hatte wirklich aufgehängt. Bob legte den Hörer langsam auf die Gabel zurück. Er atmete tief, so daß sich das Hemd über seiner breiten Brust spannte. Aah, es tat gut, solche Freunde zu haben.
    Er verließ die Bahnhofshalle, pfiff sich ein Taxi und ließ sich in die Lexington Avenue fahren. Vor einem der Wolkenkratzer stieg er aus und fuhr hinauf in das 32. Stockwerk. Als er den Fahrstuhl verließ, hörte er mit innerlichem Grinsen den Fahrstuhlführer sagen: »32. Etage, Caleday-Textilien, das führende Modeatelier Manhattans.«
    Führendes Modeatelier! Es fehlte nicht viel, und er hätte laut gelacht. Sicher war hier eines der ersten Modehäuser im südlichen Manhattan, das zweifellos. Aber trotz der Echtheit der Firma war sie doch nur eine Scheinfirma. Caleday verdiente sein Geld mit heißeren Sachen. Er hatte eine der bestorganisierten Agentenzentralen der Welt.
    Ein junger Mann in tadellosem Zweireiher trat auf ihn zu.
    »Darf ich Sie führen, Sir?«
    Crack stutzte.
    »Woher wissen Sie denn, wohin ich will?«
    Der junge Mann lächelte diskret.
    »Caesare Antonio Vierzehn«, sagte er sehr leise. »Der Mann aus Yokohama, nicht wahr?«
    Crack lachte.
    »Donnerwetter! Ich werde Sie beim Boß empfehlen. Sie sind auf Draht, mein Kleiner.«
    »Danke, Kollege«, erwiderte der Kleine ungerührt.
    Crack wurde ins Allerheiligste geführt. Als er über die Schwelle getreten war, blieb er stehen. Ein malaiischer Dolch wirbelte auf ihn zu. Er zuckte nicht mit der Wimper. Haarscharf neben seinem rechten Ohr bohrte sich die gefährliche Waffe in die Tür. Cracks rechter Arm schnellte vor. Aus dem Ärmel sauste etwas Blitzendes, wirbelte durch die Luft und wurde von dem breitschultrigen Mann hinter einem Ungetüm von Schreibtisch aufgefangen. Geschickt warf er das Messer zurück, Crack fing es ebenfalls mit der bloßen Hand und ließ es zurück in den Ärmel gleiten.
    »Hallo, Stinktier!« sagte Crack, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Hallo, Riesenroß!« erwiderte der andere ebenso trocken.
    Dann kann Caleday hinter seinem Schreibtisch vor. Sie schüttelten sich die Hände und sagten sich dabei abwechselnd eine Liste von Tiernamen, die in der feinen Gesellschaft als verpönt gelten. Aber keiner zuckte mit einer Wimper dabei. Endlich seufzte Crack: »Meine Kehle wird trocken. Können wir unsere Kosenamen nicht nach einem anständigen Schluck fortsetzen?«
    »Können wir, alter Idiot!« rief Caleday. »Was willst du haben? Französischen Apfelschnaps? Chinesischen Reisschnaps? Schottischen Whisky? Ungarisches Zwetschgenwasser? Schwarzwälder Kirsch?«
    Crack ließ sich nieder. In stiller Bescheidenheit erklärte er: »Alles!«
    Caleday nickte, als habe er nichts anderes erwartet. Er drückte auf einen Knopf. Aus der Wand löste sich eine Platte, nachdem sich eine Tür zur Seite geschoben hatte. Eine trinkfertig