0084 - Schreie in der Hexengruft
geschoben.«
»Warte!« rief Idrina. »Ich komme an der Tür vorbei. Ich werde versuchen, zwei oder drei Latten aus der Außentür zu schlagen. Dann komme ich durch. Ich hole dich, Marja!«
***
Es dauerte länger als Idrina zuerst gehofft hatte. Zuerst war es schwierig, sich an der verbogenen und eingeklemmten Eisentür vorbeizuschieben. Erst nach einer Viertelstunde hatte sich die Tür so weit bewegen lassen, daß sie einen Durchschlupf fand.
Ihre Hände faßten nach vorn. Fanden die Latten der Außentür. Sie waren nicht geknickt oder verschoben. Der ungeheure Druck mußte also von oben her kommen, nicht vom Schacht draußen.
Die Dunkelheit machte jeden Befreiungsversuch noch schwieriger.
Idrina mußte vorsichtig nach einem Angriffspunkt suchen. Aber ihr Wille, frei zu kommen, war stärker als jedes Hindernis.
Sie tastete die Latten ab. Jetzt hatte sie die beiden dünnsten gefaßt.
Sie hatte gerade so viel Spielraum zwischen den beiden Türen, daß sie ein wenig Anlauf nehmen konnte.
Mit ihrem Körpergewicht ließ sie sich gegen die Lattentür fallen.
Die Leisten gaben nach. Aber sie waren noch zu elastisch. Sie bogen sich, doch sie brachen nicht entzwei.
Erst nach nochmaligem Anlauf gelang es Idrina, die erste Latte zu zerstören. Krachend zersplitterte sie.
Idrina rieb sich ihre schmerzenden Schultern.
Aber sofort nahm sie wieder Anlauf, warf sich vehement gegen das Hindernis der Tür.
Da brach die zweite Latte in Stücke. Idrina griff mit den Händen danach, riß die Stücke beiseite. Zwei Lattenteile ließen sich lösen, als Idrina daran drehte.
Dann war sie draußen im Gang. Sie spürte das Wasser in ihre Schuhe rinnen. Es stand ihr bald bis zu den Knöcheln. Und vom Eingangsschacht her gluckerte unaufhörlich neues Wasser heran.
Idrina rief ihre Leidensgefährtin.
Sie ging ein paar Schritte, orientierte sich.
Dann hatte sie Marjas Verlies gefunden.
»Ich kann nicht hinaus!« rief Marja Bendic. »Das Loch ist zu eng. Ich kann die eiserne Tür nicht bewegen!«
»Versuche es an der Mauer neben der Tür, Marja! Dort muß irgendwo eine Öffnung entstanden sein. Du mußt die Steine abtasten. Vielleicht kannst du ein paar von ihnen lösen. Versuche es! Ich komme von außen. Ich muß zuerst die zweite Außentür sprengen!«
Schon war das Mädchen dabei. Es kostete eine neue große Anstrengung. Aber Idrina schaffte auch diese Tür. Ächzend warf sie sich dagegen, immer wieder, bis die erste Latte zerbrach.
Sie gönnte sich keine Pause. Hier konnte sie größeren Anlauf nehmen als in der Enge der Steinkammer. Der Gang war breit genug und erlaubte ihr, sich besser zu bewegen.
Wieder ein Anlauf, wieder das schwere Krachen des Mädchenkörpers gegen die Außentür von Marjas Verlies.
Dann ein letzter gewaltiger Anlauf – da wurde Idrinas Körper nach dem Aufprall weiter gerissen, stürzte mit der halben Tür nach vorn. Bis die innere Tür sie aufhielt.
»Links!« rief Marja heraus. »Von deiner Seite aus links! Da ist ein Loch, einen halben Meter über dem Boden. Die Steine lassen sich ganz leicht bewegen.«
»Ich hocke mich vor die Tür, Marja. Versuche, meine Hand zu fassen.«
Idrina hockte sich hin. Der Saum ihres Rockes hing ins nachströmende Wasser. Sie achtete nicht darauf.
Sie hatte das erste Stück ihrer Freiheit erreicht! Nun galt es, weiterzuarbeiten. Marja mußte befreit werden, und dann mußten sie versuchen, ins Freie zu gelangen.
***
Es dauerte nicht sehr lange.
Idrina steckte eine Hand durch die kleine Öffnung, die sie bald ertastet hatte. Dann spürte sie Marjas Hand auf ihrer.
»Prima!« jubelte sie los. »Komm, Marja! Wir werden es schaffen. Geh mit der Hand an diesem Stein entlang. Nimm die andere Hand zu Hilfe! Du fängst an, von innen an dem Stein zu rütteln. Ich helfe dir von hier aus. Komm, es muß gehen!«
Und es ging.
Langsam ließ sich der Stein bewegen. Einen halben Zentimeter.
Hin und her. Her und hin. Es war nicht viel, aber er bewegte sich.
Durch die anhaltenden, gleichmäßigen Bewegungen, durch das Gewicht des schweren Steines, wurde der Verputz in der Fuge nach und nach locker. Er wurde durch diese Bewegungen nach und nach herausgerieben. Der Spalt vergrößerte sich. Immer mehr ließ sich der Stein bewegen.
Dann, als beide Mädchen vor Anstrengung schon keuchten, brach er heraus.
Der Anfang war geschafft.
»Jetzt den Stein darüber!« rief Idrina in Marjas Gefängnis. »Er kann nicht mehr viel Halt haben, jetzt, da wir den unteren heraus
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