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0085 - Der Feuergötze

0085 - Der Feuergötze

Titel: 0085 - Der Feuergötze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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die er hinausblickte.
    Die Männer blickten zu ihm hoch. Ungläubigkeit zeichnete sich in ihren Gesichtern ab.
    Seltsam aussehende Männer waren es, diese beiden. Sie trugen enganliegende Kleider aus feinen Stoffen. Bein- und Brustkleid bildeten keine Einheit, auch wenn sie von derselben Machart waren. Niemals zuvor hatte er Menschen in einem ähnlichen Aufzug gesehen.
    Wer waren diese beiden Männer? Feinde, die gekommen waren, den Gott zu lästern?
    Angehörige des verfluchten Volkes?
    Nein, sie machten eigentlich keinen feindlichen Eindruck. Einer von ihnen, der ältere mit dem feisten Händlergesicht und der verfetteten Gestalt eines Wollüstlings, lächelte jetzt verzerrt. Er hatte die Hand gehoben und machte damit wedelnde Bewegungen. Und er rief etwas.
    Baalyaton verstand kein Wort, und dies, obgleich er ein sprachgewandter Mann war. Neben seiner punischen Heimatsprache beherrschte er auch das Griechische und das Lateinische der Männer aus dem verfluchten Land.
    In diesem Augenblick geschah etwas, das ihn bis ins Mark entsetzte.
    Ganz plötzlich war die Luft erfüllt von einem furchtbaren Dröhnen, gegen das der Kampfeslärm in der umtobten Stadt ein bloßes Säuseln gewesen war. Baalyaton hob seine Augen zum strahlenden, wolkenlosen Himmel. Von dort schien das ohrenzerfetzende Dröhnen zu kommen.
    Sein Entsetzen wurde nicht geringer. Er sah einen riesigen dunklen Vogel, der einen langen, sich auflösenden Schwanz hinter sich herzog. Er flog so hoch, wie er nie einen Vogel fliegen gesehen hatte. Seine Ausmaße mußten unvorstellbar groß sein. Baalyaton begriff sofort. Dies war kein Vogel, der aus einem Ei geschlüpft war. Es mußte ein künstliches Geschöpf sein.
    Wer hatte es geschaffen? Die Menschen, die dort unten in der fremden Stadt lebten?
    Der furchtbare Lärm hatte Gisgo, den nach ihm ranghöchsten Priester, aufgeschreckt. Gisgo trat mit fahlem Gesicht an seine Seite und blickte ebenfalls nach draußen. Mit zuckenden Mundwinkeln nahm er die veränderte Szenerie in sich auf, anfänglich ohne ein Wort zu sagen.
    Der Riesenvogel war mittlerweile in der Ferne verschwunden. Die beiden Fremden am Fuße der Geröllwand jedoch waren noch immer da.
    »Was… was ist geschehen?« fragte Gisgo stammelnd.
    Baalyaton hatte gewisse Ahnungen.
    »Ein Wunder ist geschehen, das unser Herr Baal-Hammon bewirkt hat«, gab er zur Antwort. »Um uns zu schützen, hat er den Tempel und uns alle in eine andere Ära versetzt, in eine fremde Zeit mit fremden Menschen und fremden Gebräuchen.«
    »Dann sind wir verloren! Diese Stadt, diese Menschen… Es können nur die Nachkommen der Verfluchten sein. Sie werden uns angreifen und töten und…«
    »Steck nicht den Pfeil vorzeitig in den Köcher zurück«, sagte Baalyaton scharf. »Unser Herr Baal-Hammon ist kein Freund der Verzagten. Wir müssen lernen, uns in dieser Fremde zurechtzufinden. Nicht ohne Grund hat uns der Gott hierhin geführt. Vergiß nicht, daß wir gelobt haben, seine Herrschaft zu erneuern und Rache zu nehmen am Volke der Verfluchten. Vielleicht ist der Zeitpunkt jetzt gekommen.«
    Er zeigte nach unten zu den beiden Männern. »Wir müssen mit ihnen sprechen. Sie können uns Auskunft geben über alles, was wissenswert für uns ist.«
    Der Feiste, dem der Donnervogel gerade das Wort von den Lippen gerissen hatte, redete jetzt wieder. Und immer noch wedelte er mit der Hand.
    »Wie willst du mit ihnen sprechen?« gab Gisgo zu bedenken. »Sie sprechen mit fremder Zunge. Ihre Worte rauschen an meinem Ohr vorbei wie das Gesumm der Fliegen.«
    »Wo ein Wille ist, da ist ein Weg.«
    »Und wenn sie nicht wollen?« unkte Gisgo. »Wenn Sie uns nicht sagen werden, was zu wissen wir begehren?«
    »Es spielt keine Rolle, was sie wollen. Du weißt, Gisgo, daß ich die Kunst des bannenden Blicks beherrsche. Noch nie ist es einem Sterblichen gelungen, sich der Kraft meiner Augen zu entziehen, die der Gott mit seiner Macht gesegnet hat. Und wie deutest du die Gebärden des fetten Mannes? Meinst du nicht, daß auch er begierig ist, mit uns zu sprechen?«
    »Ja«, sagte Gisgo, »er bedeutet uns, zu ihm hinabzusteigen!«
    »Nichts liegt uns ferner als dies. Den schützenden Hort des Tempels werden wir nicht verlassen. Sie müssen zu uns emporsteigen. Nicht nur um uns Einblick zu geben in diese fremde Welt. Es ist auch an der Zeit, unserem Herrn Baal-Hammon Dankbarkeit für unsere Rettung zu erweisen. Einer der beiden muß dem ewigen Feuer geopfert werden!«
    »Und du glaubst, sie

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