0085 - Der Feuergötze
zischte er seinem Leibwächter zu. »Nichts wie raus hier!«
Er setzte sich in Bewegung, wollte auf das Loch in den Felsen zueilen. Das einfallende Tageslicht erschien ihm wie ein Fanal der Sicherheit.
Er kam nicht weit.
In seinem Rücken stieß der Asketische ein paar Töne aus, mit schneidender, befehlender Stimme.
Der zweite Priester, der noch vor Chedli und Djamaa stand, zwischen ihnen und dem Felsenloch, nahm Kampfstellung ein. Auch aus seinem Gesicht war das Lächeln gewichen, hatte Kälte und Entschlossenheit Platz gemacht. Seine Augen erglühten in wildem, fanatischem Eifer.
Und dieser zweite Priester blieb nicht der einzige, der sich ihnen in den Weg stellte.
Auf einmal kamen sie von allen Seiten - hinter steinernen Stützsäulen hervor, aus dem Schatten einer zweiten riesigen Götterfigur, die Chedli erst jetzt sah, aus Nischen an den steinernen Tempelwänden…
Seine plötzliche Ahnung sah sich bestätigt: Sie waren in eine sorgfältig aufgebaute Falle gelaufen!
Djamaa stürzte sich auf den ersten Priester, der ihm den Weg verstellte. Der Leibwächter war ein kampfstarker junger Mann. Bevor ihn Chedli engagiert hatte, war er beim Rollkommando einer radikalen Studentenbewegung gewesen. Wegen Totschlags war er im Gefängnis gewesen, aus dem ihn Chedli dank seiner guten Beziehungen herausgeholt hatte. Und auch jetzt zeigte Djamaa seine Qualitäten. Der Priester bekam einen Faustschlag mitten ins Gesicht, flog mehrere Meter zurück.
»Komm, Sidi!« rief der Leibwächter gehetzt. Er rannte an dem gestürzten Karthager vorbei, dem rettenden Felsenloch entgegen. Keuchend folgte ihm Chedli.
Seine Fettleibigkeit rächte sich jetzt. Er war zu langsam, kam nicht schnell genug an dem niedergeschlagenen Priester vorbei. Der wälzte sich ihm in den Weg, packte ihn am rechten Fuß, riß wütend daran.
Chedli geriet ins Stolpern. Verzweifelt trat er nach seinem Gegner. Aber der hielt fest wie ein Blutegel, der ein Opfer gesucht und gefunden hatte.
»Djamaa!« schrie Chedli.
Der Leibwächter hatte es beinahe geschafft. Nur noch wenige Meter trennten ihn von der Freiheit des Tageslichts. Aber er erwies sich als loyaler Mann, für den das Wort Pflichterfüllung keine hohle Phrase war. Ohne zu zögern kehrte er zu dem Mann zurück, in dessen Diensten er stand, um ihm zu helfen.
Das war auch sein Verderben. Die anderen Priester - es waren auch Frauen dabei - stürzten sich wie eine Horde hungriger Wölfe auf ihn. In einem Gewirr von Leibern, Armen und Beinen ging Djamaa zu Boden.
Der eine Priester hatte Chedlis Fuß inzwischen losgelassen. Chedli rappelte sich hoch. Die Karthager waren alle mit Djamaa beschäftigt, schienen ihn nicht ganz ernst zu nehmen. Er versuchte, diese Chance zu nutzen, doch noch davonzukommen. Schon war er halb an dem sich wälzenden Menschenknäuel vorbei. Aber seine Hoffnungen gingen nicht in Erfüllung. Der asketische Priester hatte aufgepaßt. Seine stahlharte Hand schmetterte in Chedlis Nacken, lähmte ihn regelrecht.
Der Priester bellte einen Befehl. Das war das Ende für Chedli. Drei Männer ließen ab von Djamaa, warfen sich auf ihn. Er schlug wild um sich, ohne damit jedoch viel ausrichten zu können. In den Jahren war er aus der Übung gekommen. Ihm fehlten die Härte, die Durchschlagskraft. In Sekundenschnelle war er überwältigt. Einer der Priester drehte ihm die Arme auf den Rücken, verurteilte ihn damit zur Bewegungslosigkeit.
Auch Djamaa konnte der Übermacht nicht länger widerstehen. Unter einem Schlaghagel brach er zusammen.
Eine junge Frau eilte herbei. Sie hatte mehrere große, mit Ornamenten bestickte Tücher in der Hand. Zwei Priester nahmen ihr die Tücher ab, wandten sich dann den beiden Gefangenen zu.
Die Tücher fanden als Stricke Verwendung, die sich um Djamaas und Chedlis Hände und Füße wanden und sie in bewegungsunfähige menschliche Pakete verwandelten.
Das Herz schlug Chedli bis zum Hals, als er gepackt wurde und zusammen mit Djamaa vor das große Götterbild geschleppt wurde.
Das Amulett in der Tasche preßte sich sengend gegen seinen Oberschenkel. Der Schmerz war fast unerträglich. Gequält stöhnte er auf.
Die Priester kümmerten seine Schmerzenslaute nicht. Wie einen alten Sack ließen sie ihn ein Stück seitlich von der Götterstatue zu Boden fallen.
Chedli schlug mit Ellenbogen und Unterarm hart auf dem marmornen Tempelboden auf. Neue Schmerzwellen durchrasten seinen geschundenen Körper.
Dann wurde es ganz still im Tempel. Keiner der
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