0085 - Der Feuergötze
Tunesien ist kein zurückgebliebenes Land, an dem die Weltgeschichte vorbeizieht. Erinnern Sie sich an das verschwundene Dorf in der Bretagne, das von Wikingern überfallen wurde? Sie haben bei dieser Sache eine tragende Rolle gespielt. Auch bei uns wurde darüber ganz groß in den Zeitungen und Zeitschriften berichtet.« [1]
Ja, Zamorra erinnerte sich. Sehr deutlich sogar und gar nicht gerne. Diese Sache war damals in der internationalen Boulevardpresse furchtbar breitgetreten worden. Man hatte ihn als Helden und Retter gefeiert. Und einige Dinge, die er lieber für sich behalten hätte, waren ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt worden. Sein Amulett beispielsweise, dessen magische Kraft und Wirkungsweise.
Für den Augenblick aber war diese Art Public Relation vielleicht gar nicht so schlecht. Er konnte in dem kommenden Interview darauf aufbauen.
»Was wollen Sie von mir wissen, Monsieur Yedder?« kam er zur Sache.
Noch konnte der Reporter nicht konkret werden. Ein Kellner trat an den Tisch und fragte ihn nach seinen Wünschen. Er bestellte sich einen Cognac, nahm es also mit den Vorschriften seines Propheten nicht so genau.
Der Cognac kam, und dann öffnete Yedder seinen Fragenkatalog. Im Anschluß an die üblichen Routinefragen nach persönlichen Dingen wie Liebesleben oder politische Ansichten, die Zamorra sehr zurückhaltend beantwortete, stellte der Reporter endlich die Frage, um die es dem Professor ging: »Was verschafft Tunis die Ehre Ihres Besuchs?«
Zamorra nahm einen tiefen Schluck aus seinem Whiskyglas und zog dann wild vom Leder.
»Das kann ich Ihnen sagen, Monsieur Yedder. Ich bin hier in Tunesien, um mir etwas zurückzuholen, das man mir gestohlen hat. Etwas, das mir sehr, sehr wichtig ist.«
»Darf man fragen, um was es sich handelt?«
»Fragen dürfen Sie, nur werde ich Ihnen diese Frage nicht beantworten. Nur eins: Die Diebe fühlen sich wahrscheinlich sehr sicher, glauben sich unerkannt. Aber sie wissen nicht, daß ich ihnen tatsächlich bereits auf der Spur bin. Ich habe meine Gedankenströme ausgesandt und kreise sie systematisch ein. Sie werden mir nicht entgehen!«
Der Reporter wurde aufgeregt. »Stimmt es wirklich, daß Sie über hellseherische und telepathische Fähigkeiten verfügen, Professor? In den Wikingerberichten stand davon nämlich nichts, wissen Sie.«
»In den Wikingerberichten stand manches nicht. Zum Beispiel auch nicht, daß ich sehr rachsüchtig sein kann. Wenn man mich angreift, schlage ich zurück, unwahrscheinlich hart und unbarmherzig. Die Diebe werden es zu spüren bekommen. Ich werde sie zerschmettern, werde sie zerquetschen wie Wanzen!«
Er atmete schwer und ließ den nackten Zorn in sein Gesicht treten. Er erzielte Wirkung. Abdallah ben Yedder wich richtig ein Stück von ihm zurück.
»Darf… darf ich diese Ihre Worte in meiner Zeitung zitieren?« erkundigte er sich zögernd. »Verstehen Sie mich recht, Professor. Ich möchte mir nicht Ihren Zorn zuziehen.«
Zamorra blickte ihn an. »Sie? Sie haben mir doch nichts getan. Mir geht es allein um dieses schmutzige Diebesgesindel! Dieses wird meiner Rache nicht entkommen, wo auch immer es sich verstecken mag!«
»Ich darf Sie also zitieren?«
»Ich bitte sogar darum!« sagte der Professor mit zorndunklen Augen.
Abdallah ben Yedder hatte es anschließend ziemlich eilig, sich zu verabschieden. Er wollte seine Story unbedingt noch vor Redaktionsschluß für die nächste Ausgabe loswerden.
Befriedigt blickte ihm Zamorra nach.
»Na, wie habe ich das gemacht?« fragte er schmunzelnd seine Freundin.
Nicole sagte: »Wenn ich dir etwas gestohlen hätte, würde ich jetzt entweder zum Mond auswandern oder dir einen Killer auf den Hals schicken!«
Zamorra lächelte. »Wie gut, daß Auswanderungen zum Mond noch nicht möglich sind!«
***
Der Herr Baal-Hammon hatte das Opfer des feisten Wollüstlings nicht angenommen, hatte seinen fetten Leib verschmäht wie einen der Unreinen. Dennoch erwies sich die Person des Feisten als nützlich, als sehr nützlich sogar.
Er hatte der Kraft des bannenden Blicks nichts entgegenzusetzen gehabt. Seine Augen hatten sich sofort getrübt, und er war willenlos geworden wie jemand, der zu viel vom Tranke des Rausches genossen hat.
Er lag auf dem Rücken und atmete schwer. Sein feistes Gesicht war schweißüberströmt. Und er redete und redete. Die Flut seiner Worte war wie eine nie versiegende Quelle.
Baalyaton war hochbefriedigt. Verständigungsschwierigkeiten gab es kaum. Der
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