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0085 - Der Feuergötze

0085 - Der Feuergötze

Titel: 0085 - Der Feuergötze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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und Priesterinnen sahen es mit sichtlicher Befriedigung. Ihre düsteren Mienen hellten sich auf. Hoffnungsvolle Erwartung zeigte sich in ihren Gesichtern. Wieder ließ der Asketische seine Litanei vom Stapel.
    Und dann passierte es.
    Chedli erschrak, als er es plötzlich in den Augenhöhlen der Götzenfigur golden aufblitzen sah. Mit einem schnappenden Geräusch fuhren die riesigen Bronzehände des Baal auseinander.
    Djamaa schrie gellend auf.
    Es war sein Todesschrei.
    Chedli sah, wie er in die Flammen stürzte, wie er in Bruchteilen von Sekunden darin verschwand, so als habe ihn ein Walfischmaul verschluckt.
    Die riesigen Hände des Götzen schlossen sich wieder. Das Feuer darunter erstrahlte in satten Rottönen.
    Die Götzendiener gaben Laute der Freude, der Begeisterung von sich. Fanatischer Triumph leuchtete in ihren leicht schräg gestellten Augen.
    Chedli bewegte die Lippen. Ganz leise fluchte er vor sich hin, erbittert und voller Zorn. Diese mörderischen, blutgierigen Knechte eines unmenschlichen Gottes erfüllten ihn mit Haß, Ekel und Abscheu.
    Sein Haß und sein Ekel wichen anderen Empfindungen: Furcht und Beklommenheit.
    Die Götzendiener hatten ihn nicht vergessen.
    Der asketische Priester kam auf ihn zu, trat ganz dicht an ihn heran.
    Brennende Augen richteten sich auf ihn.
    Chedli wollte den Kopf zur Seite drehen, wollte dem bohrenden Blick des anderen ausweichen. Aber das gelang ihm nicht. Er war plötzlich wie erstarrt, konnte sich nicht mehr regen.
    Sein Wille schwand dahin, und er merkte, wie er in den Augen des Priesters förmlich versank.
    ***
    Zamorra brauchte gar nicht lange zu warten. Er hatte seinen Whisky noch nicht einmal halb ausgetrunken, als das eintrat, was er erhofft und eigentlich auch erwartet hatte.
    Ein adretter junger Mann im Maßanzug trat neben seinen Barhocker und hüstelte.
    »Monsieur Zamorra?«
    Der Professor blickte hoch. »Ja?«
    »Entschuldigen Sie, daß ich Sie störe, Professor. Mein Name ist Abdallah ben Yedder.«
    »Und?« Zamorra blieb der Rolle treu, die er vorhin in der Halle gespielt hatte. »Was wollen Sie? Daß ich Ihnen verrate, was Ihre Frau gerade macht?«
    Lächelnd schüttelte der Mann den Kopf. Er stellte sich als Reporter einer der wenigen großen tunesischen Zeitungen vor und bat um ein Interview.
    Zamorra hörte es mit Befriedigung, gab sich jedoch Mühe, einen gegenteiligen Eindruck zu erwecken.
    »Ein Interview?« knurrte er. »Wer interessiert sich schon für einen einfachen Professor aus Frankreich?«
    »Einfacher Professor!« wiederholte ben Yedder auflachend. »Mir ist zugetragen worden, daß Sie vorhin einen Diebstahl auf Ihre unnachahmliche Art und Weise aufgeklärt haben. So etwas tut kein ›einfacher Professor‹.«
    »Auf meine unnachahmliche Art und Weise? Was wissen Sie schon von mir, Monsieur?«
    »Allerhand, Professor! Sie sind ein bekannter Mann in diesem Lande.«
    Zamorra fand, daß er sich nun abweisend genug gegeben hatte. Man sollte nichts übertreiben, sonst erreichte man den gegenteiligen Effekt von dem, was man wollte.
    Er erklärte sich bereit, dem Reporter sein Interview zu gewähren.
    »Aber nicht hier, wo jeder zuhören kann«, sagte er im Hinblick auf die besetzten Barhocker in der Nachbarschaft.
    »Wie wäre es dort?« Ben Yedder zeigte auf einen kleinen Tisch in der äußersten Ecke des Barraums.
    »Einverstanden.«
    Der Professor ließ sich von seinem Schemel gleiten. Nicole tat es ihm nach.
    Ben Yedder bemerkte sie erst jetzt. »Ah«, sagte er, »Sie sind sicherlich Mademoiselle Duval. Freut mich, Sie kennenzulernen.«
    Nicole verbiß sich die Frage, woher er ihren Namen kannte. Zamorra hatte ihr aufgetragen, sich so weit wie möglich zurückzuhalten und nur das Allernötigste zu sagen.
    Sie gingen zu dem Ecktisch hinüber. Zamorra trug dabei sein eigenes und Nicoles Glas. Erst unterwegs wurde er sich bewußt, daß ein solches Tun eigentlich gar nicht zu dem Image paßte, auf das er es hier angelegt hatte. Es wäre wohl besser gewesen, den Mixer die Gläser transportieren zu lassen. Nun ja…
    Als sie saßen, drehte Zamorra den Spieß zuerst einmal um und interviewte den Interviewer.
    »Sagen Sie, Monsieur Yedder, Sie deuteten vorhin an, daß ich ein bekannter Mann in Tunesien sei. Ich war zwar schon ein paarmal im Lande, kann mich aber beim besten Willen nicht erinnern, hier irgendwie für Popularität gesorgt zu haben.«
    Der Reporter lächelte. »Auch bei uns gibt es eine Presse, Professor. Sie sehen das an mir.

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