0085 - Keiner kann entkommen
gehabt«, sagte ich ernst. »Den Rest erzähle ich dir, sobald ich Zeit dazu habe. Zieh dich an und komm! Wir haben heute noch allerlei zu erledigen.«
»Okay, Jerry.«
Wir legten beide auf. Ich nur, um die Verbindung zu unterbrechen, denn ich wählte sofort danach die Nummer unseres Archivs.
»Cotton. Ich brauche sofort alles, was über Coster Leraine verfügbar ist. Das ganze Material bitte zu mir. Und die Adressen aller unserer Verbindungsleute, die das Material über Leraine ergänzen können.«
»Okay. In einer Viertelstunde.«
»Gut.«
Ich legte den Hörer auf und lehnte mich zurück. Meine Überlegung war ganz einfach: wenn Leraine die Youngsters für Warris vermittelt hatte, dann mußte er wissen, wann und wo man Warris treffen konnte.
Und darauf kam es mir einzig und allein an. Leraine nahm ich nur so nebenbei mit. Bill Warris war der weitaus gefährlichere Mann. Denn er bestellte nicht nur Verbrechen und Morde — er mordete oft genug auch selbst.
In der nächsten Viertelstunde rauchte ich eine Zigarette nach der anderen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als ob diese ganze langwierige Geschichte mit Bill Warris endlich ihrem Abschluß zuging. Und so etwas setzt einen immer in Spannung.
Plötzlich fiel mir ein, daß ich überhaupt keine Zeit gehabt hatte, mich darum zu kümmern, was aus den Beteiligten des Banküberfalls geworden war. Ich griff noch einmal zum Telefon und erkundigte mich in der Fahndungsabteilung.
Die Auskunft war nicht gerade erfreulich: außer dem beteiligten Bankangestellten hatte man noch keinen der Gangster stellen können. Ihre üblichen und unseren Gewährsleuten vertrauten Schlupfwinkel hatten sie seit dem Überfall nicht wieder aufgesucht. Die Fahndung lief natürlich auf vollen Touren. Bereits am Morgen dieses Tages hatte die FBI-Druckerei Bilder aller Gesuchten für alle Polizeibeamte im Umkreis von hundert Meilen ausgespuckt.
Nun, irgendwann würde man sie fassen. Das war amtlich. Auf die Dauer kann keiner entkommen, keiner…
Es war noch keine ganze Viertelstunde vergangen, als der Archivleiter sich höchstpersönlich in meinem Office sehen ließ.
Er warf mir eine Mappe auf den Tisch.
»Da ist alles drin, was über Coster Leraine bekannt ist«, sagte er. »Und hier ist eine Liste über alle Gewährsleute, die vielleicht noch zusätzliche Informationen über Coster Leraine haben oder beschaffen können.«
»Danke.« Ich sah auf meine Uhr. »Ich werde alle für heute nachmittag drei Uhr zu einer Besprechung im kleinen Sitzungssaal kommen lassen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auch erscheinen könnten.«
»Natürlich, Cotton.«
Er ging wieder. Ich nahm die Liste und ging damit zum Einsatzleiter.
»Ich brauche diese Leute heute nachmittag um drei Uhr im kleinen Sitzungssaal zu einer Besprechung. Man soll sie unauffällig verständigen.«
Der Einsatzleiter nickte.
»Geht in Ordnung. Der Chef hat mir schon Anweisung gegeben, alles für Sie zu tun, Cotton. Sie haben im Augenblick bei uns im Hause mal wieder Fall Nummer eins!«
Ich grinste.
»Dafür hätte heute früh auch beinahe eine Dynamitpatrone meinem blühenden Leben ein frühes Ende gesetzt. Selbst für irgendeine Ehre muß man bezahlen:«
Ich ging zurück in mein Office. Phil war eingetrudelt und hatte einen Umweg über die Kantine gemacht. Er grinste wie in seinen besten Tagen und sah nur ein ganz klein bißchen müde aus.
»Ich dachte, wir halten mal ein gemütliches Plauderstündchen«, sagte er. »Einverstanden — oder müssen wir sofort zur Kanone greifen und in die Schlacht ziehen.«
»No«, sagte ich. »Denn diese Schlacht werden wir nur gewinnen, wenn unser Feldzugsplan hundertmal durchdacht ist. Und das wollen wir jetzt bei unserem Plauderstündchen tun.«
Ich nahm das Pappschild mit der Aufschrift »Bitte nicht stören« und hängte es vor unserer Officetür an den dafür angebrachten Haken. Man kann sicher sein, daß sich alle Kollegen einschließlich des Chefs danach richten würden. Wenn bei uns einer nicht gestört werden will, weiß jeder, daß es seinen guten Grund hat.
Zuerst berichtete ich Phil, was sich zugetragen, hatte, seit wir uns gegen neun vor dem Districtsgebäude getrennt hatten. Als ich bei dem Jungen ankam, der mir mit seiner vorwitzigen Furchtlosigkeit das Leben gerettet hatte, unterbrach mich Phil:
»Weißt du nicht zufällig etwas, was der Junge gern haben möchte?«
Ich dachte nach.
»Moment! —Doch, ja. Eine elektrische Eisenbahn wünscht er sich seit langem.
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