0085 - Tigerfrauen greifen an!
geschminkten fast siebzigjährigen Frau erkannte Sheila die Klatschtante einer großen Frauenzeitschrift. Sie wurde von zwei Reportern bedrängt, und ihre schrille Stimme übertönte selbst das Gemurmel der anderen Anwesenden.
Sheila hatte sie mal auf einer Party kennengelernt und wollte ihr nicht unbedingt in die Arme laufen. Deshalb zupfte sie Shao am Ärmel und zog sich mit ihr zurück.
»Wir müssen in den ersten Stock.«
Doch ein Mann im schwarzen Smoking hielt sie auf. »Gestatten Sie, meine Damen, daß ich Sie auf Kosten des Hauses zu einem Glas Champagner einlade. Mein Name ist Gil Hanson. Ich bin der leitende Direktor des Hotels.«
»Und der Frauenheld vom Dienst, wie?« fragte Sheila, der der Blick des Mannes nicht gefiel. »Nein, danke, Sir, wir verzichten gern.«
»Schade. Sie haben etwas versäumt.«
»Vielleicht. Eine andere Frage, Mr. Hanson. Ist oben schon geöffnet?«
Der Direktor schob seine Manschette zur Seite und schaute auf die Uhr. »In drei Minuten.«
»Danke, das reicht.«
Nebeneinander schritten Sheila und Shao die Stufen hoch von den Blicken des Direktors verfolgt.
Vor der Saaltür hatten sich schon einige Gäste versammelt. Ober verteilten Sekt.
Shao und Sheila nahmen sich jeweils ein Glas von einem Tablett. Die Unterhaltungen der Leute drehten sich fast nur um die Mode, und als die Tür endlich geöffnet wurde, war die Erleichterung groß.
Sheila und Shao betraten als eine der ersten den Saal, nachdem sie ihre leeren Gläser abgestellt hatten.
Der Raum war festlich geschmückt. Bunte Sommerblumen eingeflogen aus Italien verströmten einen köstlichen Duft.
Der Teppich auf dem Laufsteg leuchtete hellrot. Der Vorhang zur Bühne war noch geschlossen.
Ein Page fragte nach den Karten.
Sheila zeigte sie vor, und der junge Mann wies ihnen ihre Plätze an.
Sie saßen in der ersten Reihe, dicht am Laufsteg und etwa in der Mitte zwischen Bühne und Ende des Stegs.
Die Sessel waren bequem, und die Beinfreiheit konnte man ebenfalls als ausreichend bezeichnen.
Die beiden Frauen setzten sich.
Nach und nach füllte sich der Saal. Die Leute machten eine Schau, daß es einem fast den Atem verschlug. Jeder hielt sich für ungeheuer wichtig, und lauschte man den Gesprächen nach, so konnte man den Eindruck gewinnen, die Mode wäre die wichtigste Sache auf der Welt überhaupt, viel wichtiger als Umweltschutz oder Energieversorgung.
Sheila und Shao schwiegen. Sie beobachteten nur.
Neben Sheila setzte sich ein älterer Mann im violetten Smoking. Der Knabe hielt sich aufrecht wie ein Ladestock, aber er legte dabei ein geziertes weibisches Benehmen an den Tag.
Neben Shao nahm eine stark geschminkte Lady Platz, die sofort damit begann, in einem Katalog zu blättern und sich einige Notizen zu machen. Das war ein Profi.
Dann wurden die Türen geschlossen.
Sheila bemerkte es aus den Augenwinkeln. Sie nickte ihrer chinesischen Begleiterin zu. »Achtung«, flüsterte sie, »es geht gleich los.«
Sheila behielt recht.
Lautlos fuhren die beiden Vorhanghälften auseinander, und umtost von einem Beifallssturm erschien der Conferencier, um die Modenschau mit wohlmeinenden Worten zu eröffnen.
Niemand ahnte, daß aus dieser Schau ein Horrorfest werden sollte…
***
Ich hatte das Gefühl, ein eiskaltes Messer würde mein Herz in der Mitte durchschneiden.
Meine vier Spiegelbilder wollten mich töten.
Teufelswerk!
Zum Glück reagierten sie nicht so schnell wie ich, das Original. Deshalb griff ich nach dem letzten Rettungsstrohhalm, der mir überhaupt blieb.
Ich ließ mich fallen. So hastig und so schnell, als hätte mir jemand die Beine weggezogen.
Und dann reagierte ich wie ein Kastenteufel.
Ich zog die Beretta, feuerte einmal, zweimal, dreimal und auch ein viertes Mal.
Ich war schnell, bewegte mich dabei auf der Stelle und wurde vom Krachen meiner eigenen Waffe taub.
In das Peitschen der Schüsse mischte sich das Splittern von Glas. Scherben regneten auf mich nieder. Ich hörte Schreie, sah im letzten Spiegel noch einmal eine Bewegung und drückte abermals ab.
Es war die letzte Kugel.
Ich stand auf.
Scherben rieselten von meinen Schultern, vermischt mit haarfeinen Splittern. Ich blutete aus einigen kleinen Wunden im Gesicht, was jedoch nicht weiter tragisch war.
Unter meinen Füßen knirschte es. Automatisch lud ich meine Pistole nach. Ein Ersatzmagazin trug ich immer bei mir.
Dann schaute ich mich um.
Die Kugeln hatten nicht nur den Irrgarten zerstört, sondern auch meine
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