0086 - Gangster, Banken und ein G-man
hinaus, und der Durst nach Blut, nach meinem Blut, schwankte schon in ihr.
***
Der Satz riss mich aus meiner Erstarrung.
Ich raste weiter die 12. entlang, und jetzt drang der Lärm der Stadt, für den mein Ohr für einen Augenblick taub gewesen war, wieder auf mich ein.
Ich erreichte die Kreuzung der 34. Straße. Hier stand ein Verkehrspolizist. Er verließ eben in dieser Sekunde seine Insel auf der Fahrbahnmitte, aufmerksam gemacht, durch das Heulen meiner Verfolger.
Über die Fahrbahn hinweg starrten wir uns an. Ich sah genau sein Gesicht, es war ein junger Mann, sicherlich noch keine dreißig Jahre alt.
Dann machte er eine Bewegung nach seiner Pistole, und ich schoss ihn nieder. Ein fast einstimmiger Aufschrei der Menge folgte dem Schuss.
Ich raste weiter die 34. Straße entlang. Rechts öffnete sich eine Toreinfahrt. Ich warf mich hinein, entdeckte den Eingang des Hauses und hetzte die Treppen hoch.
Es war ein alter, verwinkelter Bau, in dem viele Familien wohnten.
Auf der zweiten Etage öffnete eine noch junge Frau die Tür ihrer Wohnung. Sie erstarrte bei meinem Anblick.
Ich stoppte und fasste einen raschen Entschluss. Ich hielt ihr die Pistole vor und drängte sie in ihre Wohnung zurück.
»Keinen Laut«, keuchte ich. »Sonst ist es um Sie geschehen!«
Meine Lungen schmerzten bei jedem Atemzug. Ich schlug die Tür zu und lehnte mich gegen die Füllung. Die Frau stand in zwei Schritt Entfernung und sah mich an.
Aus dem Wohnzimmer rief eine helle Jungenstimme: »Hast du etwas vergessen, Mamie?«
Draußen heulten die Sirenen. Die Streifenwagen rückten an. Meine Aussichten wurden immer schlechter.
Ich nahm mich zusammen. Mit einer Handbewegung trieb ich die Frau in den Wohnraum. Ein acht- oder neunjähriger Junge mit kurzem, sehr blondem Haar, saß in einem Sessel und las in einem Buch. Die Frau stürzte auf ihn zu und riss ihn in ihre Arme.
»Mamie, wer ist das?«, fragte er.
Der Anblick des Kindes brachte mich auf einen Gedanken.
»Ist noch jemand in der Wohnung?«, fragte ich die Frau.
Sie schüttelte den Kopf. Ihr Gesicht war von Furcht verzerrt.
Ich ging zum Fenster und spähte durch die Gardine. Zwei Streifenwagen standen schon vor dem Haus, ein Dritter und vierter schossen gerade herbei. Die Cops bemühten sich, die Menschenmenge zurückzudrängen, die sich in einem dichten Haufen vor der Toreinfahrt drängte. Ich hörte die Rufe bis obenhin: »Gehen Sie zurück! So gehen Sie doch zurück! Es ist gefährlich!«
Ich ließ die Gardine fallen und ging auf die Frau zu. Sie wollte zurückweichen, aber ich fasste ihren Arm und hielt sie fest.
»Hören Sie«, sagte ich, »Die Polizisten werden gleich ins Haus kommen. Ziehen Sie Ihren Mantel aus. Wenn bei Ihnen geläutet wird, so gehen Sie an die Tür und öffnen. Fragt man Sie, ob jemand in der Wohnung ist, so antworten Sie: nur mein Sohn. Ihr Sohn und ich bleiben in diesem Zimmer. Haben Sie verstanden? Spielen Sie Ihre Rolle gut! Wenn Sie es nicht erreichen, dass die Cops abziehen, ohne die Wohnung zu kontrollieren, kostet Sie das Ihren Sohn!«
Sie knöpfte mit zitternden Händen ihren Mantel auf und streifte ihn ab. Ihr Gesicht sah aus, als wäre sie betäubt.
»Sagen Sie dem Boy, dass er seinen Mund hält!«, befahl ich.
Sie beugte sich zu dem Jungen und flüsterte hastig auf ihn ein.
Der Junge hörte wortlos zu.
»Ist er ein Gangster?«, fragte er plötzlich mit heller Stimme.
Manchmal sind es die albernsten Worte, die einen Mann treffen können. Zum ersten Mal wurde ich »Gangster«, genannt, und der Mund eines Kindes nannte mich so. Ich kann nicht beschreiben, was ich fühlte. Es war eine Empfindung, als hätte ich einen Keulenschlag erhalten, dann folgte ein Gefühl von Schmerz, das ganz von innen herauskam, aber dann schlugen diese Empfindungen in eine Welle von Hass und Wut auf alles und gegen alle um.
Ich kniete mich nieder, sodass mein Gesicht und das Gesicht des Kindes auf gleicher Höhe waren.
»Ja, ich bin ein Gangster«, zischte ich. »Gerade habe ich mit dieser Pistole zwei Polizisten erschossen.« Ich hielt sie ihm vor die Augen. »Und ich werde dich damit erschießen, wenn deine Mamie und du nicht vernünftig sind.«
Er sah mich furchtlos an.
»Wenn du nicht deinen Mund hältst, werde ich dich und danach deine Mamie erschießen!«, drohte ich.
Das wirkte. »Ich werde still sein«, versprach er.
Die Klingel der Wohnungstür schrillte.
»Gehen Sie!«, befahl ich der Frau flüsternd. Sie taumelte in die Diele
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