0086 - Gangster, Banken und ein G-man
Wagen.«
Er gab Shoeshine einige Zeichen mit der Hand. Es sah aus, wie ein komisches Fingerspiel, aber der Neger verstand sofort, ging hinaus und kam mit einem Armvoll Flaschen wieder.
»Sie beherrschen die Taubstummensprache?«, fragte ich Forrester.
Er nickte wortkarg. Ich wandte mich an Mertric.
»Wie wirst du eigentlich mit ihm fertig?«
Er lachte. »Ich brüllte ihn an und machte Gesten. Manchmal ist es schwierig, aber schließlich sind wir immer noch miteinander klargekommen.«
Zum Beweis ging er auf Shoeshine zu, klopfte ihm auf die Schulter, fuchtelte mit den Armen und schrie: »Wir gehen nach Hause! Komm!«
Shoeshine nickte und ging mit, aber ich hatte gesehen, dass John Forrester dem riesigen Neger eine winzige Geste gemacht hatte.
Eine Stunde später lag ich auf meiner Matratze hinter sorgfältig verriegelter Tür, die ich außerdem durch ein paar vorgestellte Stühle gesichert hatte. Hin und wieder setzte ich die Whiskyflasche an den Mund, aber, verdammt, ich fühlte mich nicht wohl. Wer war dieser Mann, der sich Cerryl Dawn nannte und einen Bankraub plante, bei dem nach aller Wahrscheinlichkeit ein paar Menschen ihr Leben lassen mussten? War das noch ich? Ich hielt meine Hand vor meine Augen. War das meine Hand, die einen Polizisten getötet hatte?
Spät in der Nacht stand ich auf und torkelte auf den Waschtisch zu. Ich wollte mein Gesicht sehen. Ich musste anders aussehen als Cerryl Dawn. Ich war ein Fremder.
Ich starrte in den halb blinden Spiegel, aber ich war schon zu betrunken, um die Umrisse meines Gesichtes klar zu erkennen. Alles verschwamm vor meinen Augen.
***
Cerryl Dawn blieb vom Erdboden verschwunden. Unsere Fahndung verzeichnete nur einen einzigen Erfolg und diesen gleich am Mittag des ersten Tages, an dem Dawns Bild in den Zeitungen erschienen war.
Wir wurden von dem Besitzer eines schmierigen Hotels in der Nähe des Hudson-Hafens angerufen. Er teilte uns mit, dass ein Mann, auf den die Beschreibung passte, eine Nacht in seiner Bude geschlafen habe und vor drei Stunden fortgegangen sei.
Wir fuhren zwar hin, aber die Mitteilung des Hoteliers nützte uns gar nichts mehr. Von diesem Augenblick an blieb Cerryl Dawn verschwunden, als habe ihn der Erdboden verschluckt.
»Er ist bei seinen Komplizen untergeschlüpft«, meinte Phil.
Ich teilte diese Meinung nicht.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Gang einen Mann verbirgt, der von uns steckbrieflich gesucht wird, dessen Gesicht und Namen wir kennen. Denke an den kleinen Taschendieb Riccioni. Sie brachten ihn um, nur weil er mit dem erschossenen Prociewcz befreundet war. Wie viel mehr müssen sie fürchten, dass Dawn spricht, wenn er gefasst wird. Dawn kann die ganze Gang auffliegen lassen.«
»Vielleicht ist es falsch, dass wir nach einem lebendigen Cerryl Dawn suchen«, sagte Phil. »Vielleicht müssten wir nach seiner Leiche forschen.«
»Ich glaube nicht, dass er tot ist. Du kennst seine Laufbahn. Dawn ist nicht der Mann, der sich abschießen lässt, ohne zumindest einige seiner Mörder mitzunehmen. Ihn so lautlos zu erledigen wie Riccioni, dürfte einfach unmöglich sein. Andererseits haben wir keine Meldung von einer Schießerei vorliegen, bei der er beteiligt gewesen sein könnte. Ich wette, dass er noch lebt.«
Wo immer sich Cerryl Dawn aufhalten mochte, wir erhielten keine Nachricht darüber. Wir spannten alle unsere Kräfte an, aber es ergab sich kein Resultat.
Drei Tage nach Erscheinen des Steckbriefes, morgens um neun Uhr schrillte das Telefon in unserem Büro.
Ich nahm den Hörer ab.
»Überfall auf die Safe National Bank in der Sixth Avenue Ecke 14. Straße«, sagte die leidenschaftslose Stimme des Beamten in der Zentrale. »Feuergefecht mit starker Gangsterbande! Großalarm!«
Ich ließ den Hörer auf die Gabel fallen.
»Ein Banküberfall!«, schrie ich Phil zu.
Wir rasten in den Hof, sprangen in den Jaguar. Zwei Streifenwagen mit G-men rollten bereits durch die Toreinfahrt. Ich überholte einen Wagen noch in der Ausfahrt, riss den Jaguar herum und brachte ihn im Handumdrehen auf die Höchstgeschwindigkeit, die ich mir erlauben konnte. Phil schaltete die Sirene ein.
Von unserem Hauptquartier zur Sixth Avenue ist es nicht sehr weit. Von allen Seiten schossen die Streifenwagen der uniformierten Polizei herbei.
Ich benutzte die Hudson Street, erreichte die 14 und bog nach rechts ein, um auf die Sixth Avenue zu kommen.
Quietschend bremste ich vor dem Bankgebäude, vor dem die Streifenwagen schon
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