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0088 - Der Guru aus dem Totenreich

0088 - Der Guru aus dem Totenreich

Titel: 0088 - Der Guru aus dem Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franc Helgath
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wurde der Inder kleinlaut. »Ein Fehler von mir. Ich habe Sie nicht genau betrachtet, als sie zu mir ins Auto stiegen.«
    »Sie hatten Gelegenheit, das nachzuholen.«
    »Hatte ich. Deshalb werde ich Ihnen auch nicht zu erzählen versuchen, ich würde einen heiligen Mann am anderen Ende der Stadt kennen. Wir sind hier schon goldrichtig. Ich kenne einen Brahmanen. Ein ehemaliger Klostervorsteher. Er lebt jetzt in der Altstadt. In Armut. Früher hatte er einen eigenen Palast. Allerdings weiß ich nicht, ob er Sie empfangen wird. Er ist eigen. Die Dame können Sie jedenfalls nicht mitnehmen.«
    »Ich bleibe nicht allein«, sagte Nicole Duval sofort und schaute ängstlich hinaus auf das ungewohnte exotische Treiben, das auf jeden Europäer verwirrend und beklemmend wirken mußte. Noch trennten sie die hochgeschraubten Seitenscheiben von dem Volk draußen. Aber Bettler und Andenkenverkäufer stellten sich bereits auf. Braune Hände streckten sich ihnen entgegen. Krüppel rutschten heran. Blinde tasteten sich an ihren Stöcken vorwärts. Fliegen saßen auf ihren offenen Augen.
    »Keine Sorge«, meinte Raleb Singh leichthin. »Ich werde in der Zwischenzeit auf Sie aufpassen. Wenn Sie wollen«, fügte er hinzu. »Sie dürfen nur nicht den Fehler begehen, auch nur einem von denen da draußen einen einzigen Paise zu geben. Die hängen dann alle an Ihnen, als hätten Sie sie adoptiert.«
    Nicole Duval störte die Art, wie der Sikh über die Parias rund um den Vauxhall sprach. Doch sie mußte ihm recht geben. Sie hatte bereits einschlägige Erfahrungen gesammelt und war den Gegenwert eines Seidensaris dabei losgeworden. Nicht nur Bettler standen draußen. Auch Diebe.
    Raleb Singh stieg aus. Vor ihm wichen die kleinen Menschen zurück. Er schrie sie an. Zamorra und Nicole konnten die Sprache nicht verstehen. Aber sie sahen die Wirkung. Die Traube um das Auto wurde dünner.
    »Sie können jetzt aussteigen«, sagte der Fahrer und scheuchte mit dem Fuß noch ein besonders vorwitziges Kind weg. Zögernd folgte Nicole der Aufforderung. Die zerlumpten Gestalten wagten sich nicht mehr näher heran. Raleb Singh lächelte und reichte ihr galant die Hand.
    Nicole sah ein, daß sie hier umdenken mußte. Daß hier andere Maßstäbe galten. Maßloses Elend und maßloser Reichtum wohnten dicht an dicht.
    Der Sikh sperrte den Wagen sorgfältig ab. Vorher hatte er mit einem Griff noch die Scheibenwischer abgezogen und sie in das Auto gelegt. Der Vauxhall hatte auch keine Radkappen.
    »Nach rechts, bitte«, meinte der Sikh. »Und bleiben Sie immer auf Tuchfühlung mit mir. Die Gegend ist nicht sehr gut.«
    Das konnte man sogar riechen. Nach Landesart verrichteten die Leute ihre Notdurft auf der Straße oder gleich daneben.
    Dafür gibt es keine Hunde hier, dachte Professor Zamorra in einem Anflug von Sarkasmus und legte für sich selbst das Gelübde ab, den Menschen, die hier vegetieren mußten, eine Spende zukommen zu lassen, falls er das bevorstehende Abenteuer heil überstehen sollte. Er kämpfte gegen Dämonen. Die Menschen hier kämpften ums Überleben. Er wußte nicht mehr, welcher Kampf grauenvoller war.
    Zamorra wurde noch deprimierter. Er und Nicole folgten ihrem Führer in eine enge Gasse. Sie war schmaler als ein Liftschacht. Nicole drückte seine Hand.
    ***
    Sadhu Shandri und Rayanagu liefen die achtzehn Kilometer hinaus zum Palam International Airport zu Fuß.
    Der Guru hatte keine Edelsteine mehr bei sich, sondern ein Bündel Rupien. Rayanagu hatte die Scheine unter seinen Gürtel gesteckt. Ein Händler hatte ihnen die Steine Rudrasvins abgekauft und sie trotz Sadhu Shandris Stand gewaltig übers Ohr gehauen. Doch mit den eingehandelten Steinen wurde er ohnehin nicht glücklich, denn sie bargen den Keim des Todes in sich.
    Mekal Riklah, der Händler, wurde gerade auf der Baradur Garh Road von einem Autobus überrollt, als Sadhu Shandri und Rayanagu das weißgetünchte Gebäude von Delhis Flughafen erreichten.
    »Sie wollen wirklich fliegen?« fragte der Hindu hinter dem Schalter der Indian Airlines, über den die Inlandflüge gebucht wurden. Ungläubig starrte er auf den verdreckten Guru und- seinen verkrüppelten Diener. Er dachte dabei weniger an die Sitze des Flugzeuges, die vielleicht beschmutzt werden konnten. Aber ein Sadhu benützte die modernen Verkehrsmittel nicht. Das war eines der ungeschriebenen Gesetze, denen sich jene Männer unterwerfen mußten, wenn sie als heilige Männer gelten wollten.
    Der Mann hinter dem Tresen

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