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0088 - Der Guru aus dem Totenreich

0088 - Der Guru aus dem Totenreich

Titel: 0088 - Der Guru aus dem Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franc Helgath
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höchste ethische Göttergestalt gilt Varuna, der über den Eid wacht. Müßig, noch mehr Gottheiten aufzuzählen. Sie sind zusammengezuckt, als ich den Namen Rudra erwähnte. In der Tat: Rudra und Rudrasvin stehen in einem ursächlichen Zusammenhang.«
    Der Alte umrundete das Bettgestell und stützte sich auf die Rohre des Kopfendes. Sein Blick richtete sich in die Ferne, als wäre dort irgendeine Tafel angebracht, von der er seinen Text ablesen konnte.
    »Als die Götter noch die Welt bewohnten und das Menschengeschlecht noch nicht entstanden war, buhlte Rudra mit Sarvita, der verstoßenen Frau Varunas. Aus dieser Verbindung entstand Rudrasvin, der Drachenköpfige. Er stand auf gegen Varuna und wurde besiegt. Varuna belegte ihn mit einem Dämonenbann. Aus dem Drachengott wurde ein Wesen aus dem Schattenreich, das sich gegen alles Gute wandte. Rudrasvin verstreute Tod und Krankheit nicht nach weisem Ratschluß wie sein Vater Rudra. Als dann die Menschen kamen, wollte er das Menschengeschlecht vernichten. Varuna ließ ihm deshalb ein Grabmahl errichten und mauerte ihn dort für tausend mal tausend Jahre ein, auf daß Rudrasvin in dieser Zeit geläutert werde. Den Legenden nach existiert das Grab noch heute in der Gegend von Chhinwara. In Ihre Sprache übersetzt wird es von den Menschen dort das ›Satansgrab‹ genannt.«
    Zamorra fragte nach einer langen Pause: »Und Sie glauben, die Wesenheit, die wir vergangene Nacht gesehen haben, war der wiedererweckte Rudrasvin?«
    Brahmavadru zuckte mit den Schultern.
    »Wenn sein Grab leer ist, ist er es gewesen. Man wird es auch so bald wissen. Dann nämlich, wenn die Menschen von unheilbaren Seuchen und Epidemien heimgesucht werden. Doch dann wird es auch schon zu spät sein.«
    ***
    Professor Zamorra konnte in Delhi keine Chartermaschine auftreiben, die ihn schnellstens nach Nagpur gebracht hätte. Er mußte auf den nächsten Linienflug warten, und der war erst am darauffolgenden Tag möglich. Er und Nicole bekamen gerade noch einen Platz. Außer ihnen befand sich kein einziger Europäer in der hoffnungslos überfüllten vorsintflutlichen Fokker Friendship.
    Besonders Nicole Duval überstand den Flug nur unter Ängsten. Ihr Khakikleid war durchschwitzt, als sie die vier Treppchen zur Betonpiste des Nagpur-Airport hinunterstiegen. Eine halbe Stunde dauerte es, bis sie ihre Koffer hatten. Sie reisten mit, leichtem Gepäck. Die Suite im Oberoi hatten sie behalten.
    Die nächste Schwierigkeit stellte sich ein, als sie nach Chhinwara Weiterreisen wollten. Die Stadt lag zwar nur sechzig Kilometer weiter nördlich, doch in ganz Nagpur war nicht ein einziges Taxi aufzutreiben, das sie dorthingebracht hätte. Und mit einem Bus zu fahren war unmöglich. Zamorra hätte Nicole auch nicht mit Gewalt in eines dieser altersschwachen Gefährte gebracht, die obendrein mit Menschenmassen förmlich vollgepfropft waren.
    Von der Reise erschöpft saßen sie im winzigen Restaurant des Abfertigungsgebäudes, ihr Handgepäck zwischen den Beinen.
    Ein Essen hatten sie zwar bestellt, aber kaum angerührt. Für ihre Gaumen hatte es sich als ungenießbar erwiesen. Und die Drinks, die vor ihnen standen, waren lauwarm. Schmeißfliegen und Mücken nahmen ein Bad.
    »Oh Gott«, stöhnte Nicole und wischte sich über die heiße Stirn. Es war erdrückend schwül. »Ich bekomme hier keine Luft mehr.«
    Zamorra bemühte sich um ein aufmunterndes Lächeln. Es mißlang. Auch ihm war nach einem kernigen Fluch zumute.
    Sie saßen fest in einem Dorf mit einer Million Einwohnern, wußten aus dem Reiseführer auch, daß hier ein katholischer Erzbischof residierte, daß es eine Universität gab, eine Manganhütte und Textilindustrie. Sie hätten inzwischen noch hinzufügen können, daß es eine Stadt ohne Taxis war.
    Die Slums begannen schon am Airport. Weit und breit kein Gebäude, das höher als zwei Stockwerke gewesen wäre, und auch die stammten dem Baustil nach noch aus der Zeit der britischen Besatzung! So, wie es im Augenblick aussah, mußten sie die sechzig Kilometer nach Chhinwara nach Pilgerart zurücklegen. Auf Schusters Rappen. Als Wallfahrer zu einem Satansgrab.
    »Gehen wir hinaus«, meinte Zamorra und erhob sich. »Vielleicht treiben wir im Zentrum irgendwo einen Wagen auf. Und wenn wir den Bischof besuchen müssen.« Professor Zamorra nahm auch noch die Segeltuchtasche seiner Begleiterin.
    Das Hemd hatte er an der Brust geöffnet. Sein Medaillon gleißte grell in der Sonne.
    Links und rechts der

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