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0088 - Der Guru aus dem Totenreich

0088 - Der Guru aus dem Totenreich

Titel: 0088 - Der Guru aus dem Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franc Helgath
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Fuß in eine Unebenheit trat. Unverständliche Laute entrangen sich seinem Mund, in dem die von Narben zerschwollene Zunge wie ein Fremdkörper lag.
    Panik überfiel Rayanagu, und er wußte nicht warum. Entsetzen legte sich wie ein klammer Nebel um seine Seele, machte sein Herz schwer und ließ es so stark rasen, daß er den Puls noch in den Schläfen pochen hörte.
    Wieder lallte er ein paar Laute. Der Vorsprung Sadhu Shandris hatte sich vergrößert. Jetzt drehte sich der Guru um.
    »Du kannst hierbleiben, Rayanagu«, sagte er. »Von diesem Platz an trennen sich unsere Wege. Behalte Schale, Schlafmatten und das restliche Geld. Ich werde es nicht mehr brauchen. Ich kehre nicht mehr wieder. Meine Zeit ist gekommen. Die Stunde des Abschieds ist da. Du warst ein treuer Freund, Rayanagu. Die Götter werden dir die Dienste danken, die du an mir vollbracht hast. Dein nächstes Leben wird ein schönes und götterfürchtiges sein. Rudrasvin wird auch dich seiner Gnade teilhaftig werden lassen.«
    So sprach der Guru, und Rayanagus Angst blieb die alte. Er wollte dem Sadhu sagen, daß er nicht weitergehen solle, daß er mit ihm umkehren solle, daß er eine furchtbare Angst in sich verspüre.
    Doch Rayanagu konnte seinen Gedanken keine Worte geben. Nur unverständliches Gestammel drang aus seinem Mund.
    »Ich weiß, daß dich der Abschied schmerzt«, fuhr der mißbrauchte Sadhu fort. »Aber Rudrasvin will es, daß sich unsere Wege trennen. Hoffe, Rayanagu. Hoffe auf Rudrasvins Barmherzigkeit. Er wird dich beschützen, wie er mich beschützt hat.«
    Der heilige Mann wandte sich ab von seinem treuen Diener und ging weiter auf den aufragenden Steinhaufen zu. Er drehte sich nicht ein einziges Mal mehr um.
    Rayanagu war bittend auf die Knie gesunken. Jetzt erhob er sich, wollte seinem Herrn nacheilen, strauchelte wieder. Er sah ihn zwischen zwei Felsbrocken verschwinden, die ihm wie ein Tor zur Hölle dünkten.
    Der Krüppel raffte sich auf, hastete gebückt weiter, wollte seinem Herrn folgen.
    Doch sein Weg endete zwischen den beiden Basaltblöcken, zwischen denen Sadhu Shandri verschwunden war. Ein unsichtbares Hindernis setzte sich ihm entgegen, warf ihn zurück.
    Rayanagu versuchte es ein zweites Mal, ein drittes Mal. Er konnte die Sperre nicht überwinden, die finstere Mächte ihm gesetzt hatten.
    Tief aus seiner Kehle löste sich ein qualvoller Schrei, in dem all seine Trauer, sein Entsetzen und seine Verzweiflung lagen.
    Und seine Hilflosigkeit.
    Erschöpft sank der Krüppel zu Boden. Über seine dunklen Wangen rannen Tränen. Sie schmeckten bitter auf seinen aufgesprungenen Lippen.
    ***
    Trotz der vorzüglichen Federung des Caddys vergingen zwei Stunden, bis sie Chhinwara erreichten. Die Nacht brach herein.
    Modjir Brahmul hatte seine Geschäfte in Nagpur erledigt und sie eingeladen, bei sich zu wohnen. Die Zusage fiel Zamorra leicht, als er erfuhr, daß es in ganz Chhinwara nicht eine einzige Herberge gab, die dem westlichen Standard auch nur in Anklängen entsprochen hätte.
    Über seinen Gastgeber hatte er inzwischen eine Menge erfahren. Er hatte tatsächlich in Oxford studiert. Ausgerechnet Geschichte. Als seinen Beruf gab er Pflanzer an.
    Was das bedeutete, sah Professor Zamorra, als sie Chhinwara hinter sich gelassen hatten. Plantagen mit Arekapalmen soweit das Auge reichte. Waren sie von Nagpur aus auf einer Schotterpiste gefahren, war die Straße hier wieder asphaltiert. Sie gehörte dem Nachkömmling der ehemaligen Maharadschas von Chhinwara. Ebenso wie die Pflanzung, deren Ausdehnung Modjir Brahmul mit rund zehntausend Hektar angab. Genau wisse er die Größe seines Besitzes nicht.
    Von den Arekapalmen werden nur die haselnußgroßen Samen gebraucht. Zusammen mit einem Blatt vom Betelpfefferstrauch und zerstoßenem, gebranntem Kalk ergeben sie Betel, ein Genußmittel zum Kauen, das würzig bitter schmeckt und dem man eine erfrischende, rauschgiftartige Wirkung nachsagt. Nur zu oft muß Betel in den Slums der Städte die Nahrungsmittel ersetzen. Die darin enthaltenen Gerbstoffe färben den Speichel rot, die Zähne schwarz.
    Die Straße öffnete sich zu einem großen Platz, an dessen anderer Seite sich ein blendendweißer, traumhaft schöner Palast erhob. Nicole schwieg ergriffen, nachdem sie die ganze Fahrt über munter mit Modjir Brahmul geplaudert hatte. Und das bedeutete etwas bei ihr.
    »Ich hoffe, Sie werden sich hier wohlfühlen«, meinte der Nachfahre eines Maharadschas beiläufig. »Ich habe die alte

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